Fan war ich eigentlich nicht: Kim Gordon und Sonic Youth

Kim Gordon Girl in a band Autobiographie Sonic YouthRock’n’Roll war das nicht: Sonic Youth waren mir damals zu künstlerisch wertvoll. Zu wenig Unterleib. Anerkannt gute Songs, aber insgesamt zu kopflastig.

Aber da stand Kim Gordon. Sie blieb mir im Gedächtnis. Ohne, das ich allzu viel über sie wusste, war sie für mich ein Role Model – eine Frau, wie ich mir Frauen vorstellte. Dafür brauchte es keinen feministischen Diskurs, dafür brauchte es eine Frau, die tat, was sie tat, inmitten von Männern und dabei sehr zufrieden aussah.

Sie war für mich ein Vorbild – einfach dadurch, dass sie so auf der Bühne stand, wie sie da stand und einfach dadurch, dass sie ihre Version von Musik machte. Cool war sie für mich – aber wie ich jetzt nach der Lektüre von „Girl in a band“ weiß, sah sie das anders. Coolness war für sie ein weiteres künstlerisches Konzept.

Den feministischen Diskurs würde ich heute nach der Lektüre liebend gerne mit ihr führen. Wahlweise würde ich gerne mit ihr über Kunst reden und über den Wunsch, sich damit auszudrücken. Sie hätte viel zu sagen, über das Leben an sich und über das Leben in der Kunst.

Ich wollte nie etwas anderes sein als das, was ich war

Dafür, dass ich kein Sonic Youth Fan bin, habe ich das Buch doch sehr schnell verschlungen. Musik kommt auch darin vor. Das brachte mich dazu, viele der Songs noch einmal neu zu hören. Jetzt, so viele Jahre später, gefallen sie mir eher besser als damals, in meiner Sturm- und Drang-Zeit. Doch Rock’n’Roll ist es für mich immer noch nicht. Aber das war eigentlich auch nicht Kim Gordons Zielrichtung. Sie wollte Kunst machen, sie hat Kunst gemacht. Dass die Kunst aus Musik bestand – oder dass dieser Teil ihrer Kunst am bekanntesten wurde – hat sich eher so ergeben.

Die schlichte Wahrheit ist, ich wollte nie Hausfrau sein. Ich wollte nie etwas anderes sein als das, was ich war. S. 290

So allmählich, während des Lesens, begann ich auch zu fassen, was mich an Kim Gordons Bühnenpräsenz fasziniert hat: da steht eine Frau, ganz bei sich, ganz Frau, und macht genau das, was sie tun möchte – für sich. Nicht für die Jungs, auch wenn die Teil des Gesamtkonzepts waren – ihres Konzepts.

Wenn eine Frau tut, was früher ein Mann tat, drängt sich mir einfach die Frage auf, ob wir uns damit nicht im Kreis bewegen.
S. 194

Kim Gordon hält in ihrer Autobiographie wunderbar die erzählerische Balance zwischen Musik, Kunst, Politik, Anekdoten und sehr persönlichen Momenten. Inspirierende Lektüre – auch wenn man Sonic Youth so wie ich eher als Phänomen denn als Herzensband erlebt hat.

Weitere Angaben zum Buch:

Kim Gordon
Girl in a band

Autobiographie

Aus dem amerikanischen Englisch von Kathrin Bielfeldt und Jürgen Bürger

Kiepenheuer & Witsch
ISBN: 978-3-462-04748-6

Das Buch hatte zur Folge, dass ich mir viele, sehr viele Songs von Kim Gordon und Sonic Youth wieder angehört habe. Ein paar No-Wave-Helden. Und viel von Pussy Galore und Bikini Kills – ihren Freundinnen. Von Lydia Lunch, von der sie sich abgrenzt.

Im Garten lesend hatte ich dann einen bestimmten Song im Ohr – und da sitzt er immer noch:
;it Kim Gordon im Garten

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