Erst Nutella, dann Bagger
Nur Skulptur!
Mein Abschiedsbesuch in der Kunsthalle Mannheim
Respekt! Wie sich die Mannheimer Kunsthalle in ihrer letzten Ausstellung vor dem Abriss vom Mitzlaff-Anbau verabschiedet, das hat Stil.
Da werden wie in Vorwegnahme der Abriss-Bagger Wände durchbrochen, Geländer abgeflext, der Lagerbestand zum Abtransport vorbereitet und der Teppichboden so mit Nutella versaut, das er Sondermüll ist.
Es werden die Möglichkeiten, die ein so radikaler Neustart bietet, konsequent genutzt für eine einzigartige Skulpturen-Ausstellung, die es in dieser Form kein zweites Mal geben wird. Unbedingt anschauen!
Die Mannheimer Kunsthalle besitzt mit 840 Exemplaren eine sehr umfangreiche Skulpturensammlung von hoher Qualität. Vieles davon war in den letzten Jahren nicht zu sehen, da Platz für Ausstellungen gebraucht wurde. Auch einige meiner Lieblingsstücke schlummerten im Archiv. Etwa die Hälfte der Sammlung wird in der Abschieds-Ausstellung gezeigt und alle meine Lieblingstücke sind dabei. Ich liebe die Ausstellung schon allein deswegen, weil sie mir ein Wiedersehen mit alten Bekannten ermöglicht.
Diese alten Bekannten setzen die Ausstellungsmacher neu in Szene. Einmal dadurch, das sie die Räumlichkeiten ändern und zum Beispiel Wände durchbrechen; aber auch dadurch, das sie ungewohnte Blickachsen zwischen den Skulpturen schaffen und so neuen Interpretationen Raum geben.
Sehr schön beobachten lässt sich das in Raum 12. Dort stehen sich eine zerbrechliche Giacometti-Skulptur und der erdige, massige „Geschlagene Catcher“ von Gustav Seitz gegenüber. Überhaupt ist das eine Ausstellung zum mehrmals ablaufen und immer wieder umdrehen, denn aus jeder Richtung ergeben sich neue Einblicke, neue Interpretationsansätze. Besonders lange habe ich mich in Raum 18 mit Skulpturen von Henry Moore, Hans Arp, Alexander Archipenko und Aristide Maillol aufgehalten. Dort bin ich immer wieder um die Skulpturen, an die man so richtig nah heran gehen darf, geschlichen. In diesem Saal befindet sich auch der „Große Fisch“ von Constantin Brancusi, das heimliche Wahrzeichen der Mannheimer Kunsthalle. Es wird Zeit, das er an seinen angestammten Platz im Altbau zurückkehren darf.
Ein neues Lieblingsstück habe ich auch gefunden. „Schwarze Schatten“ von Sonja Vordermaier begeistert mich, weil sie mit einem Material, das man so gar nicht mit Skulpturen in Verbindung bringt, eine Skulptur erschafft, die einen körperlosen Schatten darstellt. Ein Paradoxon.
Etwas ähnlich unmögliches versucht Thomas Rentmeister mit seiner Skulptur aus Maschendraht und Nutella, die allmählich in den Teppich sifft. Damit weist er gleich auf zwei gute Gründe hin, die zum Abriss des Mitzlaff-Baus führen: der bauliche Zustand des Hauses, in diesem Fall der Teppichboden, und die fehlende Klimatisierung, denn diese Skulptur kann man riechen.
Infos zum Museumsbesuch:
Die Ausstellung „Nur Skulptur!“ läuft noch bis zum 17. November. Im Eintrittspreis von 7€ ist ein nützliches Booklet mit Lageplan enthalten. Der Altbau der Mannheimer Kunsthalle ist derzeit leider wegen Sanierung geschlossen. Fotografieren ist in der Ausstellung leider nicht erlaubt.