Zuerst dachte ich, ich hätte den Weg verloren. Mein Wanderweg, der sich bis dahin schön durch die französischen Alpen schlängelte, war nicht mehr zu sehen. Das, was ich sah, ähnelte mehr eine Baustelle als einem Weg. Die Reifen der Maschinen hatten 30 cm tiefe Furchen hinterlassen, deren Grund knallhart war. Die Erde war so uneben, dass ich Angst hatte, mir den Knöchel zu verknacksen. Obwohl der Waldweg doppelt so breit war, wie ich es von zu Hause kannte, waren die Bäume an den Seiten von den Maschinen beschädigt worden.
Für den Förster und Autor Peter Wohlleben sind die Schäden, die von solch schweren Maschinen verursacht werden, der wahre Feind des Ökosystems Wald und der Hauptgrund für das immer noch fortschreitende Waldsterben. Durch diese Art der Bewirtschaftung wird der Boden extrem verdichtet, Mikroorganismen und Kleinstlebewesen getötet und Wurzeln schwer beschädigt. Ein so verdichteter Waldboden speichert weniger Wasser, Trockenschäden an den Bäumen entstehen. Geschädigte Bäume können sich schlechter gegen Schädlinge wehren.
Bei der von Peter Wohlleben bevorzugten Art der Waldbewirtschaftung wird der Einsatz von schweren Maschinen auf das Notwendigste beschränkt. Die Maschinen bleiben auf den Wegen, zwischen den Bäumen wird mit Pferden gearbeitet. Das erscheint auf den ersten Blick teurer, doch der Wald bleibt gesund, der Holzertrag steigt.
Mit Romantik hat das nichts zu tun, aber sehr viel mit Liebe zur Natur und mit Respekt vor allen Lebewesen.
Holzplantage, Plenterwald oder Naherholungsgebiet – den Wald vor lauter Bäumen sehen
Doch was ist überhaupt ein Wald? Ist das, was wir vor unseren Städten finden noch Natur oder ein von Menschen geschaffener Raum? Sicherlich beides – wenn es gut läuft. Von den Monokulturen der Holzplantagen, wie ich sie in den USA gesehen haben, sind wir immer noch weit entfernt. Doch auch bei uns wird Kahlschlagwirtschaft betrieben, auch wenn diese geschickt getarnt wird. Von Wald im Sinne von Urwald können wir in Deutschland nicht reden, wenn auch die naturnahe Bewirtschaftung, der Plenterwald, ein großer Schritt in diese Richtung ist.
Dürfen Menschen den Wald als ihr Naherholungsgebiet betrachten? Das sieht der Autor nicht nur entspannt, er heißt die Erholungssuchenden sogar willkommen. Peter Wohlleben ist kein radikaler Naturschützer, der die Menschen aus dem Wald verbannen will. Ganz im Gegenteil. Er mag Spaziergänger und Wanderer. Er stört sich auch nicht an Reitern und Radfahrern, so lange sie vernünftig sind und auf den Wegen bleiben. Nur mit den Jägern, oder besser gesagt mit der Art und Weise, wie sie die Jagd betreiben, hat er seine wohlbegründeten Probleme.
Sachlich und engagiert erklärt er uns das Ökosystem Wald, die Forstwirtschaft und den aktuellen Zustand des Waldes. Das ist schlüssig geschrieben und auch für die Leser geeignet, für die Wald einfach das ist, wo sie nach Feierabend joggen oder der Ort, an dem sie am Sonntag frische Luft tanken.
Erschienen ist das Buch im Pala-Verlag, einem mir durch und durch sympathischen Sachbuch-Verlag, den ich schon für das Büchlein „Zucchini – Ein Erste-Hilfe-Handbuch für die Ernteschwemme“ in mein Herz geschlossen habe.
Weitere Infos zum Buch:
Menschenspuren im Wald
Ein Waldführer der besonderen Art
erkennen – verstehen – einmischen
Pala Verlag
ISBN: 978-3-89566-352-9
Vom gleichen Autor stammt auch der Spiegel-Bestseller Das geheime Leben der Bäume. Hier findet Ihr alle Bücher von Peter Wohlleben.
Zwei Blogbeiträge möchte ich Euch in diesem Zusammenhang besonders empfehlen:
Pingback:Bäume in der Kunst - GeschichtenAgentin