Die Frage geht mir seit der Lektüre von Christian Rätschs Autobiographie „Vom Forscher, der auszog, das Zaubern zu lernen“ nicht mehr aus dem Kopf.
Bevor sich jetzt wütende Veganer auf mich stürzen, möchte ich betonen, dass ich nicht vorhabe, den Papagei in der Nachbarschaft mit Pfeil und Bogen zu erschießen, um ihn am offenen Feuer zu grillen.
In „Vom Forscher, der auszog, das Zaubern zu lernen“ beschreibt Christian Rätsch, wie er mit den Lakandonen, bei denen er ein Jahr lebt, auf Papageienjagd geht. Die Aufregung der Jagd und seine Vorfreude auf das leckere Papageienfleisch sind greifbar, regelrecht spürbar. All das Fremde des Lebens mit einem Maya-Volk wurde für mich in dieser Passage in einem magischen Lesemoment zusammengefasst.
Die zweite Schlüsselszene verbindet für mich die fast nicht mehr greifbare europäische magische Tradition mit der, zumindestens damals noch, lebendigen, magischen Maya-Tradition.
Ein Lakandone, der sich den Fuß verknackst hat, fragt Rätsch, ob er einen Zauberspruch kennt. Christian Rätsch antwortet ehrlich, das er nur einen zur Heilung von Pferden kennt. Dem Lakandonen ist es recht und so kommt dieser Zauberspruch in den Dschungel:
Phol und Wodan begaben sich in den Wald
Da wurde dem Fohlen des Herrn/Balders sein Fuß verrenkt
Da besprach ihn Sinthgunt, die Schwester der Sunna
Da besprach ihn Frija, die Schwester der Volla.
Da besprach ihn Wodan, wie er es wohl konnte.
So Beinrenkung, so Blutrenkung,
so Gliedrenkung:
Bein zu Bein, Blut zu Blut,
Glied zu Glied, wie wenn sie geleimt wären
Christian Rätsch ist in der Welt von Wissenschaft und Forschung genauso verwurzelt wie in der Welt von Mythos und Magie. Für ihn ist das kein Widerspruch. Beides sind in sich schlüssige Systeme; beides sind funktionierende Weltbilder; beides will gelebt und erzählt werden.
„Vom Forscher, der auszog, das Zaubern zu lernen“ basiert auf Tagebucheinträgen. Das macht es wunderbar authentisch. Die verbindenden Kapitel haben jedoch erzählerische Schwächen – aber vielleicht bin ich auch einfach durch Wolf-Dieter Storl, der ein begnadeter Erzähler ist, verwöhnt.
Infos zum Buch:
Christian Rätsch
Vom Forscher, der auszog, das Zaubern zu lernen
Meine Erlebnisse bei den Erben der Maya
Heyne Taschenbuch
ISBN: 978-3-453-70123-6
Mehr von Christian Rätsch auf meinem Blog: Abgründige Weihnachten. Die wahre Geschichte eines ganz und gar unheiligen Festes.
Pingback:Räuchern mit Kräutern und Harzen - Buch-Empfehlungen