Denksport Deutsch: die Logik hinter unserer Grammatik

Sachbuch. Denksport Deutsch von Daniel ScholtenGutes Deutsch entsteht dadurch, dass man schlechtes Deutsch vermeidet. So weit begleite ich den Autor und Podcaster Daniel Scholten in „Denksport Deutsch“ noch gerne. Die Sympathie wird im Laufe der Lektüre schwinden. Doch bis dahin habe ich viel darüber gelernt, wie sich unsere Sprache entwickelt hat und wie Grammatik funktioniert.

Zum Beispiel habe ich gelernt, dass der Artikel „die“ nicht zwingend bedeutet, dass etwas weiblich ist. „Der“ ist nicht männlich und „das“ nicht sächlich. Die Kategorien, die hinter den Artikeln stecken, folgen einer anderen Logik. Das alles lässt sich sprachwissenschaftlich begründen, ableiten, belegen. Deswegen ist auch „der Astronaut“ kein Mann, sondern ein Sammelbegriff. Dazu später mehr.

Wir alle haben im Gehirn ein Sprachzentrum, das genau weiß, wie Sprache funktioniert. In diesem Sprachzentrum ist die exakte, klare, reine Logik gespeichert. In unserem Fall handelt es sich dabei um die Struktur des Indogermanischen. Sagt Daniel Scholten.

Tief in unserem Hirn wissen wir also, wie Sprache funktioniert. Bei gesprochener Sprache greifen wir, weil es schnell gehen muss, direkt auf dieses Wissen zu. Deswegen ist gesprochene Sprache korrekt. Sogar den Konjunktiv würden wir korrekt verwenden. Sagt Daniel Scholten.

Kompliziert wird es erst, wenn wir Deutsch schreiben. Schriftsprache ist seltene Sprache. Wir möchten, dass sie etwas Besonderes ist und geben uns so richtig Mühe. Mühe bedeutet, dass wir unseren Menschenverstand einschalten. Damit beginnen die Probleme. Der gesunde Menschenverstand sei ein Teufelsding. Sagt Daniel Scholten.

Denksport Deutsch: welches Geschlecht hat ein Bürger?

Ich habe weder Germanistik noch Sprachwissenschaft studiert und das, was mir der Duden an Erklärungen zur Grammatik anbietet, überfordert mich häufig. Gerade deswegen höre ich gerne einem Besserwisser – pardon, mein inneres Sprachzentrum korrigiert mich gerade – gerade deswegen höre ich gerne einem Fachmann zu, der es besser weiß.

Ich glaube dem Autor gerne, dass der Begriff „Bürger“ zum Beispiel die Gesamtheit der Bürger bezeichnet und damit ganz ausgewogen Männer und Frauen umfasst. Das lässt sich schließlich aus dem Ur-Indogermanischen herleiten. Diese Hochkultur war ja auch bekannt für eine gut funktionierende Demokratie und das frühe Einführen des Frauenwahlrechts, oder?

Da mit Bürger Männer und Frauen gleichermaßen bezeichnet werden, ist es natürlich Unsinn, von Bürgerinnen und Bürgern zu reden. Wenn es bei diesem Begriff Unsinn ist, gilt das selbstverständlich auch für alle Berufsbezeichnungen wie Astronaut und Informatiker. Unser inneres Sprachzentrum, in dem das Ur-Indogermanische sozusagen fest verdrahtet ist, weiß das.

Verwirrung entsteht nur, wenn der sogenannte gesunde Menschenverstand beginnt, die sprachliche Logik zu interpretieren.

So verwirrte Menschen haben zum Beispiel in meiner Buchhandlung für Computerbücher grundsätzlich den einzigen Mann angesprochen, den sie finden konnten. Kai war aber Theologiestudent. Unser Computerspezialist war Tina, eine gut aussehende, kurvige Blondine.

Unglaublich, was so ein verwirrter Menschenverstand, der die reine Sprachlogik falsch interpretiert, alles anrichten kann! Er glaubt sogar, dass nur ein Mann ein Computer-Spezialist sein kann, denn sonst würde es ja Spezialistin heißen.

Wie gut, dass wir Autoren wie Daniel Scholten haben, die uns erklären, dass es nicht nötig sei, Sexismus durch Sprache korrigieren zu wollen. Wir müssen uns nur an das absolut logische, fest verdrahtete Ur-Indogermanische halten, das unser Sprachzentrum prägt. Dann klappt alles!

Zitat Daniel Scholten. Folgen Sie niemals einer Stilregel, wenn Sie ihren Sinn nicht verstehen. Auch dieses Zitat weckt meinen Widerspruch. Nicht nur meinen, wie ich erfuhr, als ich es auf Instagram postete. Getoppt wird dieses Zitat aber noch durch folgendes:

„Die Literatur der historischen Sprachwissenschaft ist ohne Fachstudium nicht zugänglich. Darum begnüge ich mich mit dem Hinweis, dass ich die übliche Fülle an Fachliteratur ausgeschöpft habe.“
(Daniel Scholten, Denksport Deutsch, S. 325)

Lohnt es sich nun, dieses Buch zu lesen?

Meiner Meinung nach Ja, wenn man lernen möchte, wie unsere Sprache entstanden ist und welche Logik hinter unserer Grammatik steckt. Nein, wenn man einfach nur wissen möchte, was gutes Deutsch ausmacht und wie man sein eigenes Deutsch verbessern kann. Zweifaches Nein, wenn man Autoren bevorzugt, die auf Augenhöhe mit dem Leser kommunizieren.

Angaben zum Buch:

Daniel Scholten

Denksport Deutsch
Wer hat bloß die Gabel zur Frau und den Löffel zum Mann gemacht?

DTV

ISBN 978-3-423-26134-0

Ein Architekt sagte einmal, dass Städte, in denen das Leben tobt, niemals schön sind. Das gilt auch für Sprache im Alltag: Sie kann keine Dichtkunst sein. Das würde ihr das Leben nehmen und zugleich der Dichtung ihren Wert.
(Daniel Scholten, Denksport Deutsch. S. 283.)

Was Ihr stattdessen lesen könntet – drei Vorschläge:

 

 

4 Kommentare

  1. Der Autor ist jedenfalls niemand der Laclau oder Foucault etc. gelesen hat, sonst wüsste er, welche Macht Sprache hat… Ach ja, das Indogermanische ist übrigens eine Rekonstruktion und daher kann man nicht mit 100prozentiger Sicherheit überhaupt sagen, ob es so eine „Ursprache“ wirklich gab.

    • Woher der Autor seine intimen Kenntnisse des Ur-Indogermanischen hat, verschweigt er auch. Die sind einfach gesetzt. Genauso wie unser Hirn-Sprachzentrum, das in unserem Fall schon indogermanisch geprägt sei: Auch das ist einfach gesetzt und wird nicht näher erläutert.

      Ich würde ja vermuten, dass in diesem Sprachzentrum lediglich die Fähigkeit verdrahtet ist, mit der wir Sprache an sich dechiffrieren. Sonst hätten Babys, die durch Adoption in einem anderen Kulturkreis aufwachsen ein sehr großes Problem. Aber ich bin ja nur Laie und habe „die Fülle der Fachliteratur“ nicht ausgeschöpft 🙂

  2. Zum Deutsch verbessern empfehle ich, wenn Du ihn nicht schon gelesen hast, Wolf Schneider.
    Er hat einige Stilratgeber rausgebracht, die sich, dank seines eigenen lebhaften Stils, wunderbar weglesen.

    • Den Autor schätze ich auch sehr und lese immer mal wieder ein Buch von ihm. Sehr gut und hilfreich fand ich auch Peter Kruck, Besseres Deutsch aus dem Dumont Verlag.

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