Nicht erst seit dem Werbevortrag von Microsoft auf der #dico16 bin ich skeptisch, was Sessions und Vorträge von Sponsoren auf Konferenzen und Barcamps angeht.
Doch auf dem #litcamp16 funktionierte sogar das und sorgte für Erfahrungsaustausch auf Augenhöhe:
Netgalley bot zusammen mit dem Carlsen Verlag eine Session zum Thema „Digitale Leseexemplare“ an. Sehr speziell, dachte ich zuerst. Doch auch diese Session war gut besucht.
Interessant war für mich, dass Journalisten eher Print-Exemplare als Rezensionsexemplare anfordern; bei Buch-Bloggern gibt es keine klaren Präferenzen mehr. Blogs, die Bücher fotografisch in Szene setzen, möchten natürlich „echte“ Bücher (und sollen sie auch weiterhin bekommen). Bloggern wie mir, die einfach nur lesen wollen, ist es häufig egal, ob sie Print oder eBook erhalten.
Auch bei diesem Punkt horchte ich auf: bei Carlsen werden Blogger vom Marketing betreut; Journalisten von der Presse. Ich vermute, dass diese Trennung auch in anderen Verlagen existiert. Und sie erklärt so manches, finde ich.
Einige der anwesenden Autoren hatten Angst, dass eBook-Leseexemplare hemmungslos weiterverteilt werden. Eine Selfpublisherin hingegen war heilfroh, eBooks versenden zu können anstatt die Rezensionsexemplare zur Post bringen zu müssen.
Bei den Buchhändlern scheint es einen Trend zu geben, exakt das als Leseexemplar anzufordern, was für das Sortiment interessant sein könnte. Das könnte dazu führen, dass endlich auch mal etwas anderes als Spitzentitel, die bisher automatisch als Print-Leseexemplare in die Buchhandlungen kamen, gelesen, eingekauft und empfohlen werden. Mich als Bestseller-Vermeiderin würde das freuen, wenn der Begriff Buch-Sortiment wieder etwas mit sortieren zu tun hätte.
Hier bieten digitale Vorab-Exemplare definitiv Möglichkeiten, die es bisher mit den für die Einkaufsentscheidung produzierten Lese-Exemplaren nicht gab. Welche Veränderungen dadurch noch in Buchhandlungen ausgelöst werden können – darüber hatte ich hier schon gebloggt.
Das geänderte Anforderungsverhalten der Buchhandlungen hat aber zur Folge, dass auf einmal das komplette Programm als Leseexemplar bereit gehalten werden muss. Dafür sind eBooks prädestiniert – sofern es sich um einen Verlag handelt, der jedes Buch als eBook auf den Markt bringt. Das wiederum ist immer noch nicht selbstverständlich und war nicht der einzige Anlass, über den schwerfälligen Elefanten namens Buchbranche zu stöhnen:
„10k Tweets über das #litcamp16 reichen nicht, es hätten 10k Faxe sein sollen.“ Heiko über den schwerfälligen Elefanten (Buchbranche). ?
— Teekesselchen (@tee_kesselchen) 19. Juni 2016
Auch der Klett-Cotta Verlag hat das Literaturcamp Heidelberg unterstützt (hier eine Liste aller Sponsoren) und brachte mit einem Mann gleich vier Blogs und fast 10 Jahre Blog-Erfahrung auf die Session-Bühne: Frankreich-Blog und Klett-Cotta-Blog als Corporate-Blogs des Verlags; Stuttgart-Fotos und Romanistik Info als private(re) Blogs von Heiner Wittmann.
Ja, der Mann macht auch durchaus noch etwas anderes als bloggen! Hier konnte man erleben, was Schreib-Routine und die Tatsache, dass Themen für den Blog gleich im Berufsalltag mitgedacht werden, für einen Unterschied in der Produktivität ausmachen.
Zum Bloggen kam Heiner Wittmann, weil er bei Neuerungen immer gleich hier geschrieen hat, und der erste Blog war, nachdem das OK der Verlagsleitung vorlag, innerhalb von einer halben Stunde aufgesetzt. Bei der Themenfindung hat er übrigens freie Hand. Mich hat dabei fasziniert, wie er manchmal Themen auf allen vier Blogs ausspielt und sich so selbst die Bälle zuspielt: eine Lesung in Stuttgart mit einem französischen Klett-Autor kann durchaus für Berichte auf allen vier Blogs sorgen.
Insbesondere für den Frankreich-Blog ist Twitter als Recherche-Plattform und als Vernetzungsplattform sehr wichtig, wohingegen Facebook stagniert. Das war ein Punkt, bei dem ich noch mal gezielt nachfragen musste, da ich das von meinen Blogs her anders kenne. Aber in diesem Fall hat das viel mit der journalistischen Herangehensweise des Frankreich-Blogs zu tun – und vielleicht auch mit einer anderen Twitter-Nutzung in Frankreich.
Doch was war jetzt an dieses mit Sponsoren verknüpften Sessions anders? Etwas, das das gesamte #litcamp16 auszeichnet: Begegnungen und Austausch unter Buchmenschen; erfreulich wenig Sätze, die mit einem großen ICH begannen und mit TOLL und VERKAUFEN weitergingen. Hier wurde frei von der eigenen Arbeit erzählt und dann gleich gefragt, wie das andere machen.
Danke!
#litcamp16 Einen Dank an die tollen Sponsoren! pic.twitter.com/QARphcTHhl
— Lena Falkenhagen (@LenaFalkenhagen) 11. Juni 2016
Die gesammelten Berichte zu den Sessions auf dem #litcamp16 findet Ihr hier.