Ilija Trojanow tut sich schwer als Indien-Versteher. Auf seiner Reise entlang des Ganges überfordert ihn das Land mit seiner unlogischen Vielfalt. Das gibt er offen zu und versucht trotzdem tapfer, Erklärungen zu finden.
Mir ging es auf meiner Indien-Reise nicht anders.
Gerade das macht mir sein Buch so sympathisch, obwohl es für meinen Geschmack auf weiten Strecken sehr spröde daherkommt.
Es sind insbesondere die Umweltverschmutzung und der achtlose Umgang mit der Natur, die den Autor fassungslos machen. Wie kann man die heilige Mutter Ganges in so eine Kloake verwandeln? Wieso stören sich nur so wenige Menschen daran?
Eine seiner Erklärungen beruht gerade auf der Göttlichkeit des Flusses. Ein Mensch kann eine Göttin nicht verschmutzen und er kann ihr auch nicht dabei helfen, sauber zu werden. Dafür müsste die heilige Ganga schon selbst sorgen.
Für den allgegenwärtigen Lärm versucht er erst gar nicht, eine Erklärung zu finden – der gehört einfach zu Indien dazu.
Das wichtigste Instrument der zeitgenössischen Spiritualität ist der Lautsprecher, die Gesänge werden so laut gestellt, als sei die Welt schwerhörig. … Wir hatten schon die Flucht ergriffen, als wir mit einem Schlag in den himmlischen Frieden des Stromausfalls einkehrten. S. 35
Ilija Trojanow bemüht sich um Objektivität. Doch gerade das moderne Indien macht es ihm schwer: Hilfspriester, die Geld für einen achtlos ausgeführten Segen wollen. Zusammenbrechende Infrastruktur. Bürokratie, Bestechung und nicht funktionierende, da zu groß gedachte Pläne der Verwaltung.
Als er den bürokratischen Weg des Antrags beschrieb, ahnte ich, dass wir eher das Ende des Kali Yuga erleben als eine offizielle Genehmigung erhalten würden. S. 48
Am Ende erreicht er die Mündung des Ganges und der Leser ist sich sicher, dass dies nicht die letzte Reise des Autors nach Indien sein wird.
Jetzt bin ich gespannt auf seine „Gebrauchsanweisung für Indien“. Ob er weitere Erklärungsmodelle für das Land gefunden hat?
Infos zum Buch:
An den inneren Ufern Indiens
Eine Reise entlang des Ganges
Ein National Geographic Buch
Piper Malik Verlag
ISBN 978-3-492-40375-7
Eigentich interessiert mich ja jedes Indienbuch, aber so wie du das beschreibst, werde ich es glaube ich nicht auf meine Wunschliste setzen. Ich studiere nämlch Ethnologie und glaube, dass ich dann wirklich Probleme habe, seine Erklärungsversuche anzuerkennen. :/
Mal so ganz spontan: wie wäre es mal mit einer gemeinsamen Blogger-Aktion zum Thema Indienbücher? Meinst Du, wir bekämen da eine Blogparade zusammen, bei der jeder sein Lieblings-Indienbuch vorstellt?
Doch zurück zum Thema Umweltverschmutzung: ich hatte mich mal mit 2 Indern über dieses heikle Thema unterhalten. Es ist für Außenstehende wirklich kaum nachzuvollziehen, warum in einem Land, in dem die Natur heilig ist, ein solches Maß an Umweltverschmutzung herrscht. Ihre Erklärungen gingen damals in die Richtung „zu wenig Bildung“ und nie gelernt, Verantwortung zu übernehmen. Und gerade der letzte Punkt passt dann doch wieder zu der Erklärung aus dem Buch.
Das Problem ist komplex und überfordert mein westliches Hirn 🙂