„Willkommen im vierten Lehrjahr!“
mit diesem Satz habe ich gerne meine Azubis nach bestandener Prüfung begrüßt.
Wenn ich mich richtig erinnere, waren die meisten von Ihnen nur mäßig davon begeistert, hatten sich aber nach drei Lehrjahren an meine Vorstellung von Humor gewöhnt.
Im November 2012 hätten sie sich mit einem herzlichen „Willkommen im 25. Lehrjahr!“ revanchieren können und ich hätte es geliebt!
Meine drei Empfehlungen an Berufsanfänger, die sich hinter dem Satz „Willkommen im vierten Lehrjahr!“ verbergen, lauten:
- neugierig sein und bleiben
- sich nie auf das beschränken, was man selbst für wichtig für seinen Beruf hält, sondern immer über den Tellerrand schauen
- nicht darauf warten, das man ausgebildet wird, sondern Eigeninitiative entwickeln
Neugier ist die Grundvoraussetzung für ein abwechslungsreiches und inspirierendes Berufsleben. Aus Neugier habe ich im ersten Monat meiner Buchhandels-Ausbildung begonnen, das Börsenblatt zu lesen. Komplett. Inklusive der Beilage „Aus dem Antiquariat“, die es damals noch gab. Verstanden habe ich erst einmal nichts – lauter Namen, die ich nicht kannte und Probleme, von denen ich noch nie was gehört hatte. So erwarb ich mir eine Grundorientierung; ein Gefühl für Zusammenhänge. Später kam die c’t dazu. Die „Psychologie heute“. Für mich beides Fachzeitschriften, die sehr viel mit meinem Beruf namens „Buchhändlerin“ zu tun haben.
Womit wir beim zweiten Punkt wären: wo mein Tellerrand ist, bestimme ich.
Mein Teller ist sehr, sehr groß und ich schaue darüber hinaus. Immer weiter und weiter. Weil ich Bücher verkaufe, will ich wissen, wie der Spielwarenhandel funktioniert. Und der Feinkosthandel. Und und und… Ich höre meinem Maler zu, wie er Zusatzverkäufe anbringt. Ich analysiere den Autoverkäufer. Ich beobachte die Erzieherin, die ihre kleinen Rabauken zur Ruhe bringt, und frage mich, was das mit Kinderbüchern zu tun hat. Wo auch immer etwas verkauft oder vermittelt wird: ich will wissen, wie es funktioniert.
Das ist Eigeninitiative, und damit sind wir beim dritten Punkt. Ja, ich weiß: die Ausbildung in den Betrieben könnte besser sein, und die Weiterbildungssituation ist nicht berauschend. Irgendetwas könnte immer besser sein. Das ist so, und das nennt man Leben. Also nimm, was Du vorfindest, und mach was daraus. Wenn Deine Ausbilderin seit 20 Jahren den gleichen Vortrag über Bibel-Ausgaben hält, dann hör ihn Dir an. Wenn Dein Kunde Bücher zu Themen sucht, von denen Du noch nie etwas gehört hast, dann brummel nicht „karierte Maiglöckchen“, sondern setze Dich abends hin und recherchiere. Auch dieses Mosaiksteinchen an Wissen wird eines Tages nützlich sein.
Außer den Punkten Neugier, über den Tellerrand schauen und Eigeninitiative gab es auch einige wenige Fortbildungen in meinem Berufsleben, die mich voran gebracht haben:
- Käser Training: hier lernte ich grundlegendes über Zuhören und Kommunikation – dafür danke ich der Buchhandlung Gondrom, die das damals ermöglichte, heute noch.
- Jörg Winter Training: Hier lernte ich viel über Unternehmensführung und wie ich das Einzigartige meiner Buchhandlung klarer herausarbeite – leider kam mir im Laufe des mehrmonatigen Trainings der Job beim LibroDrom, für den ich das lernte, abhanden. Macht aber nichts – auch von dieser Fortbildung profitiere ich immer noch.
- Online-Marketing-Manager: meine aktuelle Fortbildung bei der Abendakademie Mannheim – Blick über den Tellerrand in Reinkultur und nicht nur für meine derzeitige Arbeit beim Kinderbuchlotsen nützlich.
Die wichtigste Fortbildung war aber für mich wohl die Ausbildereignungsprüfung der IHK. Nicht wegen des Fachwissens, das dort vermittelt wurde, sondern weil es für mich eine Weichenstellung war. Buchhändler auszubilden hat mein Leben bereichert!
In den letzten 6 Jahren habe ich jedoch in einer Buchhandlung gearbeitet, die nicht ausbildet: eine Buch Habel Filiale, heute Hugendubel, demnächst geschlossen.
Ich kann und will es nicht verstehen, warum Buchhandlungen nicht ausbilden!
Die Zusammenarbeit mit den Azubis war für mich immer bereichernd und erfrischend. Azubis bringen einen Außenblick mit, der geeignet ist, die eigene Betriebsblindheit aufzubrechen. Wenn ein Azubi einen Ablauf in der Buchhandlung nicht versteht, kann ich davon ausgehen, das mein Kunde diesen Ablauf auch nicht versteht. So was sollte ich dann schleunigst ändern.
Auch die Tatsache, das der Buchhändler nicht alle Azubis übernehmen kann, ist für mich kein Grund, nicht auszubilden. Welcher Student arbeitet denn heute in dem Bereich, den er studiert hat?
Mit einer Buchhandels-Ausbildung schafft man eine solide Basis:
- kaufmännisches Grundwissen
- Know-How im Verkauf
- gute Allgemeinbildung und Umgangsformen
- sicheres Auftreten
- klare, zielgerichtete Kommunikation
- Menschenkenntnis
All das sind Fähigkeiten, mit denen man auch in anderen Branchen punkten kann!
Deswegen: jammert nicht, lernt. Berufsleben ist das, was ihr daraus macht.
*Ich danke Hanna Hartberger für die Einladung zur Blogparade „Die Neuen – Aus- und Weiterbildung in der Buchbranche“. Behaltet den Blog „Alles fließt – Über eine Branche im Wandel“ von Dennis Schmolk und ihr im Auge – es lohnt sich!*