Bücher lesen und ausleihen: da lächelt die Bibliothekarin von heute milde, wenn der Leser damit die Aufgaben einer Bücherei umschreibt.
Dass Vorlesenachmittage und ein Recherche-Portal angeboten werden ist noch vorstellbar, doch wie ich bei der tollen Führung durch die Stadtbibliothek Mannheim beim #bookupDE gelernt habe, hört der Service damit noch lange nicht auf.
Das Veranstaltungsangebot und die Vielzahl an Dienstleistungen sind beeindruckend, doch wie sieht es mit dem Buchbestand aus?
Auf den ersten Blick sehr, sehr gut. Eine große Auswahl an Fach- und Sachbüchern in der Zentrale im Stadthaus Mannheim erfreut mein Leserherz; über den Bestseller-Service freuen sich andere.
Doch ich lebe nicht in der Innenstadt, meine Bibliothek ist die im Mannheimer Vorort Rheinau.
Buchstützen sind wichtig geworden in meiner Stadtteilbibliothek
Damals, als ich noch Schülerin war, war meine Vorort-Bibliothek prall gefüllt. Angeschafft wurde, was wichtig war. Der Bildungsauftrag stand im Vordergrund. Ausleihzahlen waren nicht ganz so wichtig.
Das hat sich geändert.
Heute kann man in meiner Stadtbibliothek durch die Regale hindurch in den nächsten Gang schauen. Und den übernächsten Gang sieht man auch. Die Lücken sind groß, Buchstützen sind wichtig geworden.
Damals, als ich noch Schülerin war, gab es noch Lyrik in meiner Stadtteilbibliothek. Hans Magnus Enzensberger „Gesammelte Gedichte“ hatte ich mir ausgeliehen, verlängert und noch einmal verlängert. Als ich mir das Buch ein halbes Jahr später wieder auslieh fand ich meine Nagelfeile darin. Ich hatte sie als Lesezeichen verwendet. Niemand hatte sich in der Zwischenzeit für das Buch interessiert; die Nagelfeile hatte zwischen den Seiten auf mich gewartet.
Transportkisten statt Regalbestand
Heute gibt es keine Lyrik-Abteilung mehr in meiner Stadtteilbibliothek. Auch keine Fachbücher. Es gibt Kinder- und Jugendbücher, Krimis und Schmöker und veraltete Reiseführer. Ausleihzahlen waren in der Zwischenzeit wichtig geworden; der Bibliotheksbestand in den Vororten wurde dementsprechend angepasst.
Bücher für Leser wie mich wurden nur noch für die Hauptstelle in der Mannheimer Innenstadt angeschafft. Wer – so wie ich – nicht so häufig in der Innenstadt war, konnte sich diese Bücher online bestellen und in die Stadtteilbibliothek liefern lassen. Das war spitze!
Damit waren die Bücher genau in der richtigen Menge vorrätig – einmal Enzensbergers Gesammelte Gedichte für ganz Mannheim reicht wohl – und kamen trotzdem zum Leser in den Vorort.
Ich habe davon regen Gebrauch gemacht. Nicht mehr mit Gedichten, sondern mit Fachbüchern.
Seit diesem Jahr kostet der Bestsellservice Geld. Die Vorbestellungen hätten überhand genommen, seien vom Personal nicht mehr abzudecken gewesen und von den vorbestellten Büchern seien zu wenig tatsächlich abgeholt worden. So wurde die Sachlage bei der wunderbar informativen #bookupDE-Führung dargestellt.
50 Cent kostet jetzt eine Vorbestellung. Das ist zwar nicht viel, stellt aber in meinen Augen für die Bibliotheken in den Stadtteilen eine enorme Verschlechterung der Situation dar. Die Ausleihzahlen werden dort zurückgehen, was eine weitere Budgetkürzung zur Folge haben dürfte. Für mich ist das keine schöne Entwicklung.
Noch mehr über die vielen Angebote der Stadtbibliothek Mannheim und über meine Erlebnisse bei der gutgelaunten Führung durch das Bibliotheksuniversum erfahrt Ihr auf meinem Kinderbuchblog:
Raus aus dem Novitätenzirkus! Ein #bookupDE und die Folgen
Hier kostet eine Vorbestellung 1,20. Sie werden gut genutzt, weil es immer noch preiswerter ist, als eine Fahrt in die Stadt zur entsprechenden Stadtteilbibliothek. Das Problem sind eher die Benutzerzahlen bei klammen öffentlichen Kassen.
1,20 ist heftig. Bei drei Bücher wären die ÖPNV-Kosten für eine Person ausgeglichen. Doch ich fürchte, das auch bei uns die Reise dorthin führen wird.
Von Enzensberger, der kurze Sommer der Anarchie, hat mich sehr beeindruckt in meiner Jugend. Vielleicht sollte ich es mal herauskramen und noch einmal lesen, irgendwo steht es noch im Regal…
Sag mir, wie es ausgegangen ist! Ich überlege immer mal wieder, ob ich die „Helden-Bücher“ meiner Jugend noch einmal lesen soll. Und traue mich dann doch nicht. Was, wenn ich sie heute doof fände?
Bei mir wären es Alfred Andersch, Kirschen der Freiheit und Rainald Goetz, Irre
Liebe Frau Eckhardt,
danke für Ihre Blogposts und Beiträge zu unserem Bookup.
Die Entscheidung über die Einführung der Bereitstellungsgebühren haben wir uns nicht leicht gemacht, aber vor dem Hintergrund des Transportaufkommens in der Stadtbibliothek Mannheim wollten wir eine größere Verfügbarkeit von Medien in den einzelnen Stellen erreichen. Wenn man alleine die Zahlen für das Jahr 2014 anschaut: Von Januar bis November hatten wir eine Gesamtbewegung von 172.561 Medien. Dabei handelt es sich v. a. um Transporte und Bereitstellungen. Jeden Tag hat jede Stelle eine Liste mit vorbestellten Medien abgearbeitet. Diese wurden herausgesucht, verbucht, mit Laufzetteln versehen, geprüft, eingeladen, gefahren, ausgeladen, wieder gebucht und schließlich für den Kunden bereitgestellt. Dabei hatten wir die Erfahrung gemacht, dass viele Medien „auf Verdacht“ bestellt wurden oder sogar aus dem verfügbaren Bestand heraus.
Dieser Service war also tatsächlich mit einem sehr großen Aufwand verbunden. Hinzukam dass die Medien auf diese Weise mehr unterwegs waren, als dass sie den Kunden zur Verfügung standen. Das ergab auf Dauer keinen Sinn, denn das Ergebnis war, dass Medien weniger bei den Leserinnen und Lesern standen als vielmehr in unseren Abholregalen und Transportkisten. Wir hatten uns erhofft, dass die Medien in der Folge der neuen Regelung wieder mehr bei den Leserinnen und Lesern sind und weniger „auf Wanderschaft“. Dies scheint nach den Erfahrungen in diesem Jahr tatsächlich der Fall zu sein, viel gefragte Medien sind wieder vor Ort in den Zweigstellen sicht- und ausleihbar und eine Verlängerung entliehener Medien ist eher möglich als in den vergangenen Jahren.
Für alle Bibliotheken ist die Unterstützung von Schülerinnen und Schülern mit den Jahren äußerst wichtiger geworden. Wir haben nicht nur eine Referate-Sprechstunde unter dem Namen T!BB eingeführt, sondern unterstützen die Schulen mit Klassenführungen und weiteren Veranstaltungen der Bibliothekspädagogik bei der Vermittlung von Sprach- Lese- und Medienkompetenz. Um das Angebot für die Zielgruppe gerade für die Schularbeiten noch attraktiver gestalten zu können, haben wir zudem im Laufe des Jahres die Schulbibliotheken mit Sondermitteln ausstatten können. Dort findet man jetzt noch mehr Sachbücher zu bestimmten schulrelevanten Themen.
Wenn Sie sich mehr Fachbücher in Ihrer Zweigstelle wünschen, sprechen Sie doch mal mit den Mitarbeitern vor Ort. Für Kundenwünsche haben wir immer ein offenes Ohr.
Übrigens: Wenn Sie die elektronische Ausleihe (www.metropolbib.de) nutzen, fallen keine zusätzlichen Gebühren an. Sie werden kostenlos benachrichtigt, wenn das elektronische Medium zum Download zur Verfügung steht und eine verspätete Rückgabe mit Versäumnisgebühren gibt es dort nicht. Dort finden Sie auch viele Fachbücher!
Viele Grüße
i.A. Leonie Kriebs
Stadtbibliothek Mannheim
Liebe Frau Krebs,
zuallererst auch hier noch einmal DANKE für das gutgelaunte und informative #bookupDE und die Führung durch die Bibliothek. Ich bin und bleibe Fan der Stadtbibliothek Mannheim, auch wenn mich manche Entwicklungen etwas wehmütig stimmen und meine Sach- und Fachbuch-Interessen nicht immer zum Bibliotheks-Alltag passen. Ist halt so und letztendlich zählt auch für mich, ob überhaupt und mannheim-weit gelesen wird. Und da macht ihr hier in Mannheim wirklich einen guten Job!
Doch als überzeugte Vorort-Bewohnerin beäuge ich nun mal kritisch alles, was für mich wie eine Bevorzugung der Innenstadt aussieht.
Bei der Onleihe habe ich noch das Problem, dass ich echte eBooks bevorzugen würde und sich in der Onleihe doch noch vieles befindet, dass nur am PC gelesen werden kann. Aber auch das haben wir ja kurz beim #bookupDE gestreift: das verwächst sich. Mannheim war halt früh mit dabei und hat daher noch einiges im Bestand, was heute ein echtes eBook wäre.
Auf jeden Fall drücke ich die Daumen, dass dieses „Improvisationstheater Stadthaus – Dalberghaus“ tatsächlich mal verbessert wird. Wobei: eine so zentrale Lage wird es wohl nie wieder geben, oder?