Eigentlich knüpfe ich mit der Lektüre von »Frauen Literatur. Abgewertet, vergessen, wiederentdeckt« von Nicole Seifert an Themen an, die mich schon vor über 30 Jahren beschäftigt haben. Meine Ausgabe der Anthologie »Deutsche Dichterinnen. Gedichte und Lebensläufe« stammt aus dem Jahr 1986, also noch aus meiner Schulzeit. Sie hat mir die Augen geöffnet.
Genau aus diesem Grund wollte ich »Frauen Literatur« zunächst nicht lesen. Die Erkenntnis, wie wenig sich seit dem geändert hat, ist nichts, was mir einen Leseabend auf der Couch versüßt. Been there, done that – und die Welt ist eben immer noch schlecht.
Vom Deutschunterricht bis zum Germanistikstudium ist der Autorinnenanteil noch immer verschwindend gering, und so lernen wir von Anfang an: Was literarisch wertvoll ist, stammt von Männern.
Website Kiepenheuer & Witsch
Doch was für die Universität und für den Literatur-Kanon gilt, greift auch in den Fanzines der Nerds und in der Genre-Literatur. Das war der Grund, das Buch dann doch zu lesen.
Frauen Literatur: Auf einmal handeln die Bücher von mir.
Was für einen Unterschied es für mich macht, wenn Autorinnen ein Genre mitprägen, habe ich in den letzten Jahren im Bereich Science-Fiction und Fantasy erlebt. Beides sind Lese-Vorlieben, die ich für mich ohne groß darüber nachzudenken aufgegeben hatte. Ich fühlte mich mit den Büchern einfach nicht mehr wohl und griff eben zu etwas anderem.
Erst als ich Autorinnen wie Ann Leckie, Theresa Hannig, Nnedi Okorafor, N.K. Jemisin und Ursula le Guin für mich entdeckte, änderte sich das. Auf einmal fand ich mich in den Büchern wieder. Mein Leben, meine Themen, meine Fragen an die Gesellschaft, verpackt in eine packende, genre-typische und doch so andere Geschichte. Seitdem verschlinge ich SF und Fantasy wie früher und merke, wie sehr mir diese fantastischen Welten gefehlt haben!
Was wäre, wenn das überall in der Welt der Bücher sein könnte?
Wie Frauen unsichtbar werden – lässig und pointiert erklärt
Genau darum geht es in Nicole Seiferts »Frauen Literatur. Abgewertet, vergessen, wiederentdeckt«. Sie zeigt auf, wie viele großartige Autorinnen uns durch die Mechanismen der Buchbranche und der Universitäten entgangen sind. Aber vor allem durchleuchtet sie auf allen Ebenen, wie diese Verdrängungsmechanismen funktionieren. Das macht sie einerseits so präzise und pointiert, dass ihre Analysen in jeder gesellschaftspolitischen Debatte standhalten. Andererseits macht sie es so lässig und locker, dass jedes Kapitel ein Lesevergnügen ist. Zudem geht sie dabei so gründlich vor, dass ihr alle Leser*innen folgen können. Ein Grundstudium in Literaturgeschichte oder Feminismus ist nicht nötig – Spaß am Lesen genügt!
Bibliographische Angaben zum Buch:
Frauen Literatur
Abgewertet, vergessen, wiederentdeckt