Am 1. Oktober 1995 trat Lee Hollis zum ersten Mal als Spoken-Word-Künstler auf – und das gleich im Vorprogramm von Lydia Lunch. Kein schlechter Start, den er so beschreibt:
It was the first time I ever spoke to an audience, instead of screaming at one.
Daraus könnte man eine Geschichte machen. Macht Lee Hollis aber nicht. Er verwendet dieses Schnipsel einfach nur für den Abspann des Buches. Das Spiel mit den Erwartungshaltungen des Publikums hat er perfektioniert.
Manche seiner Kurzgeschichten sind von vornherein in einem Land weit jenseits der Normalität angesiedelt: brennende Hochhäuser, Horror-Ausflüge mit dem Segelboot, Wahnsinn.
Doch am besten gefallen mir die Geschichten, die harmlos und realistisch beginnen und dann urplötzlich kippen, surreal werden.
Einige Stories sind autobiographisch verankert, wobei sich der Leser auch hier nie so ganz sicher ist, ob die Geschichte nicht doch an irgendeiner Stelle die Realität verlassen hat. Hat sich das wirklich so zugetragen oder erzählt Lee Hollis gerade Punk-Märchen?
Aber ist diese Frage überhaupt wichtig? Entscheidend ist, dass die Show stimmt. Da ist und bleibt Lee Hollis Entertainer – ein verdammt guter noch dazu!
Er weiß, was die Menschen von ihm hören wollen – nämlich Anekdoten aus dem Hardcore-Leben, Seitenhiebe auf seine Wahlheimat Deutschland und Sätze wie Don’t tell me how cool you are. Be cool. Das liefert er auch ab. Aber nicht gleich.
Lee Hollis spielt genüsslich mit der Erwartungshaltung des Lesers, rotzt das Publikum an, um es im nächsten Abschnitt gleich wieder äußerst charmant zu umwerben. Also alles so wie auf der Bühne.
Erzählstimme und Bühnenpräsenz liegen bei ihm sehr nah beieinander – das klingt richtig, richtig gut.
Infos zu den Büchern:
Lee Hollis
Strategy for Victory
ISBN 978-3-931555-73-3
Many injured, more dead
ISBN 978-3-95575-084-8
Empfohlen wurden mir die Bücher von RRR Soundz, dem DJ meines Vertrauens.