Thomas Grüter – Magisches Denken – Rezension

Eines vorneweg:

Ich habe das Buch mit großem Interesse und viel Freude gelesen, weil der Autor und ich einen sehr unterschiedlichen Blick auf die Welt haben.

„Magisches Denken – Wie es entsteht und wie es uns beeinflusst“

Thomas Grüter hat eine Mission, die er gründlich und gewissenhaft verfolgt:

„Auf Dauer werden das magische Denken und die Unvernunft nachlassen müssen, wenn Menschen überleben wollen.“ (S. 286)

Die Rettung der Menschheit betrifft auch mich und ich möchte dann doch gerne wissen, warum ich gerettet werden muss und wie das geschehen soll.

Was bedeutet Magisches Denken?

Die Kennzeichen magischen Denkens leitet er sehr schön ab. Dazu gehören zum Beispiel die Beeinflussung der Außenwelt durch Worte, Rituale oder Gedanken; der Glaube, das die Zukunft vorhersehbar ist und eine Verbindung zwischen Symbol und Wirklichkeit. (S. 32)

In den anschließenden Kapiteln sucht er eine psychologische und/oder neurobiologische Erläuterung für das magische Denken. Unser Gehirn sucht ständig nach Erklärungen und Verbindungen zwischen Ereignissen.
Das ist angeblich ein Überbleibsel aus der Zeit, als der Mensch Raubtier-Beute war. Damals war es gut, schnell entscheiden zu können, ob der Schatten im Gras ein hungriger Tiger oder etwas ungefährlicheres ist. Deswegen versuchen wir heute noch, jeden Schatten im Gras zu erklären und sei es mit einer Elfe.

Sehr interessant sind seine Ausführungen zum Thema Geisteskrankheiten und magisches Denken. Doch zum Leidwesen des Autors ist magisches Denken wohl doch keine Geistesstörung.

Dann folgen ein paar Kapitel, deren Sinn und Zweck für das Buch sich mir nur bedingt erschließen: Kurzbiographien von Paracelcus bis Hahnemann sowie ein ironischer Nostradamus-Orakel-Generator und eine Anleitung, wie man sich eine esoterische Geheimlehre bastelt. OK, dann soll „Magisches Denken – Wie es entsteht und wie es uns beeinflusst“ wohl doch kein wissenschaftliches Werk sein – gut und interessant zu lesen ist es allemal.

Was wirft Thomas Grüter dem magischen Denken nun eigentlich vor?

Das listet er auf S. 283 auf.

  • Es behindert den medizinischen Fortschritt
  • Es hilft Betrügern beim Verkauf unwirksamer Medizin oder „zauberkräftiger“ Gegenstände
  • Es schafft einen Markt für unsinnige esoterische Bücher und Seminare
  • Es hat die Hexenjagden legitimiert und ist daher für den Tod hundertausender angeblicher Hexen verantwortlich
  • Es behindert den wissenschaftlichen Fortschritt und verwirrt die Köpfe der Wissenschaftler
  • Es macht die Religion erst möglich.

Magisches Denken behindert den medizinischen Fortschritt und hilft beim Verkauf unwirksamer Medizin.

Im Buch nennt Thomas Grüter als konkretes Beispiel dafür die Homöopathie. In dem Fall sage ich mir ganz pragmatisch „Wer heilt hat recht.“ Das Heuschnupfen-Mittel, das mir persönlich am besten hilft, ist ein homöopathisches. Mir ist das egal – wenn mir jemand ein Placebo gibt, das genauso gut hilft, nehme ich auch das.

Magisches Denken schafft einen Markt für unsinnige esoterische Bücher und den Verkauf „zauberkräftiger“ Gegenstände.
Ob etwas für ihn Sinn macht oder nicht kann nur der Käufer entscheiden. Auch worin der Sinn besteht kann nur der Käufer entscheiden.  Mündige Menschen brauchen keinen Wissenschaftler, der für sie entscheidet, was wirksam und sinnvoll ist. Sie sind in der Lage, das für sich selbst herauszufinden; auf ihrem ganz eigenen persönlichen Weg. Das ist für mich der Punkt, an dem das Weltbild des Autors und meines am meisten auseinandergehen: das Thema Selbstverantwortung blendet er komplett aus.
Magisches Denken hat die Hexenjagden legitimiert.
Waren das nicht vielmehr Gier, Macht und Dummheit?
Magisches Denken verwirrt die Köpfe der Wissenschaftler.
Die Bewertung dieses Arguments möchte ich gerne den Wissenschaftlern überlassen. Ich würde das, was Thomas Grüter im entsprechenden Kapitel beschreibt, eher als Betriebsblindheit bezeichnen denn als Verwirrung durch magisches Denken beschreiben.
Magisches Denken macht die Religion erst möglich.
Da bin ich doch direkt einverstanden!
Alles in allem erklärt Thomas Grüter in „Magisches Denken – Wie es entsteht und wie es uns beeinflusst“ sein Weltbild sehr schlüssig und gut nachvollziehbar.  Das Weltbild der Lakandonen, wie es der Schamanismus-Forscher Christian Rätsch beschreibt, ist für mich jedoch genauso schlüssig. Daher überzeugt mich Thomas Grüter nicht so sehr, dass ich zu „seinem Glauben“, zu seiner Wissenschaftskirche, übertreten würde. Denn nichts anderes als das ist es für mich: ein weiterer dogmatischer Blick auf die Welt und die Menschen.

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