Zoran Drvenkars „Licht und Schatten“: Ein Genre-Sprenger der Fantasy-Literatur

Was mich an den Büchern von Zoran Drvenkar fasziniert, ist klar: sein konsequentes Ignorieren aller ungeschriebenen Genre-Regeln. Genau das ist es auch, was es für mich so schwer macht, meine Leseeindrücke zu seinem Jugendroman „Licht und Schatten“ zu notieren. Wäre das Buch ein Getränk, dann ein Chai – schwer und würzig, süß und bitter zugleich und mit einem Duft, der mich aus dem Alltag holt.

Für einen Fantasy-Schmöker ist „Licht und Schatten“ zu sperrig. Immer dann, wenn dieses Gefühl von eintauchen und wohlfühlen entsteht, wehrt sich das Buch mit einer unerwarteten, rätselhaften Wendung. Für einen historischen, in Russland spielenden Roman ist zu viel frei erfunden. Für eine Coming-of-age-Story gibt es zu viel Phantastik und Schauermomente. Zu all diesen Genre-Elementen gesellen sich noch Familiendrama, Märchen und Sagen, ganz viel Abenteuerroman – und eine einzigartige poetische Sprache mit einem kraftvollen Klang.

Auch die Figuren sind einerseits magische, aus der Zeit gefallene Heldinnen und Helden. Andererseits sind sie so fein gezeichnet, dass wir Leser*innen mit unseren Alltagserfahrungen andocken können. Sie sind so übermenschlich groß und mystisch und zugleich vertraut menschlich-irrational. Sie bleiben auf Distanz und gehen uns ganz nahe.

So wie Solomon. Er zieht seine Tochter Vida, Heldin des Buches, alleine auf. Wann gibt es schon mal einen zutiefst feministischen, alleinerziehenden Vater in einem solchen Setting? Ein Vater, der seine Tochter stark machen möchte für das Leben und das Geheimnis, das sie erkunden muss? Der genau weiß, dass er sie in dem Moment, wenn sie zur Frau wird, verlieren wird – im übertragenen wie im realen Sinn. Sein Mädchen kann er noch verstehen und beschützen, als erwachsene Frau dann nicht mehr.

Jedes kleine Drama spiegelt sich in dieser Romanwelt im Großen wieder. Vom Alltag eines Kindes zum Kampf gegen Gut und Böse. Vom Abenteuer zu der Frage, was ein Menschenleben ausmacht.

Dieses Buch macht es Leser*innen nicht leicht. Deswegen liebe ich diese ehrliche Rezension dazu so sehr: „Leider habe ich das Buch die meiste Zeit über nicht verstanden“ auf dem Feder und Eselsohr-Buchblog. Diese Einschätzung ist jedoch genauso wahr: „Äußerst frisch konzipiert, und meilenweit von einem klassischen Jugendroman entfernt. Schlichtweg großartig!“ – Zwischen den Zeilen Blog.


Infos zum Buch:

Zoran Drvenkar
Licht und Schatten
Das Erwachen

Gulliver im Beltz und Gelberg Verlag


Was bestens dazu passt (und deutlich weniger Seiten hat): Krakonos

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