Ich war skeptisch. Die Originalhöhle von Lascaux musste geschlossen werden, weil die vielen Besucher den prähistorischen Zeichnungen geschadet haben. Deswegen wurde die Höhle von Lascaux eins zu eins nachgebaut. Aus Beton.
Was das dann wohl sein mag – ein Steinzeit-Disneyland? Eine Betonwüste?
Doch die Umschreibung „Nachbau aus Beton“ führt in die Irre. Lascaux fühlt sich sehr lebendig an. Das hat meines Erachtens zwei Gründe: die ungeheure Genauigkeit des Nachbaus und die Art und Weise, wie die Bilder an die Wand gebracht wurden.
In Lascaux wurde nicht einfach eine Höhle aus Spritzbeton hingestellt. Vielmehr wurde die Originalhöhle millimetergenau vermessen und nachmodelliert. Der enge Durchgang zwischen den beiden Höhlenkammern ist auch in Lascaux II ein sehr enger Durchgang. Lediglich der Boden ist ein stolperfreier Turnhallenboden, das ist aber auch das einzige Zugeständnis an moderne Bequemlichkeitsbedürfnisse.
Graffiti mit Röhrenknochen – Künstler in der Steinzeit
Die Bilder wurden auch nicht mit einer modernen Projektionstechnik an die Wand gebracht. Ganz im Gegenteil: es kamen bei der modernen Höhlenmalerei genau die Techniken zum Einsatz, die für die Steinzeit nachgewiesen sind. Die Künstlerin hat exakt die Farben von damals verwendet und exakt die überlieferten Mal- und Zeichentechniken. So wurden auch Federn und Röhrenknochen, durch die die Farbe gepustet wurde, genutzt. Das sorgt für unglaublich lebendige, authentische Bilder.
Sehr gut gefallen hat mir auch, dass unsere Führerin durchgehend von Kunst und Steinzeitkünstlern sprach. Denn genau das sind diese Wandzeichnungen: Kunst, die uns auch heute noch beeindruckt und berührt.
Damit kann ich zum zweiten Mal innerhalb eines Urlaubs den alten Werbespruch der Beton-Industrie zitieren.
Beton – es kommt darauf an, was man daraus macht.
In Lascaux wurde aus dem Werkstoff Beton etwas sehr Beeindruckendes erschaffen. Nach nur wenigen Minuten Aufenthalt in der Höhle hatte ich vergessen, dass es sich um einen Nachbau aus Beton handelt. Von Steinzeit-Disneyland keine Spur!
Besuch im Prähistorischem Museum in Eyzies
Einige Tage zuvor war ich auf Empfehlung des Reiseführers Südwestfrankreich aus dem Michael Müller Verlag im Musée National de Préhistoire, dem Prähistorischen Museum in Eyzies. OK, die Sammlung an Funden aus der Steinzeit ist sehenswert – aber mehr als sehen kann man dort als deutscher Tourist, der der französischen Sprache kaum mächtig ist, nicht. Lange Reihen moderner, sehr gut ausgeleuchtetet Vitrinen voller Knochen und Knöchelchen, Steinen und Steinchen. Mal mit Ritzungen, mal ohne. So stellt es sich einem dar, der wie ich die dazugehörigen Texte in anspruchsvollem, wissenschaftlichen Französisch nicht lesen kann. Einen anderssprachigen Audioguide gibt es nicht.
Einziger Lichtblick sind die Videos: experimentelle Archäologie. Hier wird gezeigt, wie die Werkzeuge aus der Steinzeit hergestellt wurden und wie sie eingesetzt wurden. Jetzt weiß ich, wie mit einem Stück Feuerstein Fell und Haut von einer Hirschkeule geschabt werden. Es würde mich freuen, wenn irgendjemand mal die Outtakes dieser Videoproduktion veröffentlichen würde!
Überzeugt nicht nur mit Infos zu Lascaux:
Michelin Reiseführer Périgord Dordogne
Als Reiseführer für das Perigord kann ich den Michelin empfehlen und vom Michael Müller Südwestfrankreich abraten, denn dieser lässt zuviele Sehenswürdigkeiten aus und ist in seinen Texten und Infos sehr launisch. Der Grüne Michelin Reiseführer Périgord Dordogne hingegen war ein zuverlässiger Begleiter, informativ und übersichtlich.
Gerade bei Lascaux lohnt es sich, zuerst in den Reiseführer zu schauen. Die Eintrittskarten für die Höhle von Lascaux gibt es nämlich nicht am Höhleneingang, sondern im Ort Montignac an der Tourist Info. An Markttagen sollte man einplanen, dass man für die Fahrt zur Tourist-Info ein paar Minuten mehr braucht. Ich bin dank einer gewissen südländischen, flexiblen Organisation gerade noch in der letzten Minute in die letzte deutschsprachige Führung des Vormittags hineingerutscht. Steinzeit-Museumsbesuche können sehr spannend sein!
Bibliographische Angaben zum Reiseführer:
Der Grüne Reiseführer Périgord Dordogne
Michelin Verlag
9783834289216
Informationen zu Lascaux II:
In der SZ gibt es eine Bilderstrecke mit Infos zu Lascaux und Lascaux II.
Diese Webseite informiert darüber, wo und wie man Karten für Lascaux II erhalten kann. Eine Vorab-Reservierung via Internet ist nicht möglich! In der Höhle darf nicht fotografiert werden.
Es gibt deutschsprachige Führungen in Lascaux. Meine war sehr gut und ging weit über das Wiedergeben auswendig gelernter Informationen hinaus.
Lust auf mehr Beiträge zu Museen? Von Steinzeit bis Moderne: meine Museumsbesuche.