Kae Tempest sah ich 2016 auf dem Maifeldderby in Mannheim. Ich hatte das Programmheft nicht gelesen und war überrascht, statt in einem Konzert in einem Podiumsgespräch zu landen.
Nun, Kae Tempest hatte das Programm wohl auch nicht gelesen und war überrascht, dass sie sich die Podiumsdiskussion selbst organisieren musste.
Was mir fast ein Jahr nach ihrem gut gelaunten und hoch konzentriertem Auftritt im Gedächtnis geblieben ist, ist die Wucht, mit der sie ihre Texte vorträgt und die Liebe, die sie bei allem ausstrahlt. Wut wird zu Energie wird zu Liebe – eine bemerkenswerte Haltung, die ich so gerne viel häufiger erleben möchte.
Dann ist mir noch ein Blick in ihre Schreibwerkstatt in Erinnerung geblieben. Kae Tempest erzählte, wie hart es für sie war, ihren Roman zu überarbeiten. Da stand die perfekte Beschreibung für einen Moment, für eine Emotion auf dem Papier und sie musste diese gelungene Formulierung streichen, weil sie nichts zur Geschichte beitrug. Das, was die Lyrikerin in ihr am liebsten behalten hätte, war dem Roman im Weg.
Diese beiden Erinnerungen prägten meine Herangehensweise an ihren Roman Worauf du dich verlassen kannst. Ich wollte die Liebe zu den Menschen darin wieder finden und mich von der Sprache mitreißen lassen. Beides ist so gekommen.
Nur, wenn man Menschen mag, kann man so genau hinschauen, wie Kae Tempest das tut. Sonst wäre es zu schmerzhaft. Sie erzählt Geschichten von Menschen, die das Richtige tun und doch das Falsche damit hervorlocken. Sie erzählt von Talenten, harter Arbeit und Erfolgen, die sich nicht einstellen. Doch vor allen Dingen erzählt sie von der Liebe, die Veränderungen bewirkt, auch wenn die Liebe nur für kurze Zeit hält.
Dieses Jahr kommt Kae Tempest wieder auf das Maifeldderby nach Mannheim. Diesmal mit Musik. Ich werde dort sein und wiederum das suchen, was ich im Roman gefunden habe.
Angaben zum Buch:
Kae Tempest
Worauf du dich verlassen kannst
Übersetzt von Stella & Karl Umlaut
Rowohlt Verlag
ISBN: 978-3-499-26989-9
Ausführliche Rezensionen in der Zeit und bei Novellieren. Bei dieser Rezension finde ich besonders spannend, dass ich den Gangsterfilm im Buch doch eher ignoriert habe und mich dafür vom Klang der Sprache und den großartigen Beobachtungen habe mitreißen lassen.