Bei diesem Beitrag muss ich aufpassen. Er könnte mir zu sentimental geraten. Verlag Graswurzelrevolution – dieser Name lockt bei mir viele Sätze hervor, die mit „damals“ beginnen. Liegt daran, dass ich den Verlag als Abiturientin entdeckt habe.
Hinterfragen, genau wissen wollen, überprüfen, ob es nicht noch ganz andere Alternativen gibt, als die im Lehrplan vorgeschlagenen – das war für mich wichtig.
Nicht, dass meine Lehrer mich auf den Pfad gebracht hätten, aber die zufällige Anwesenheit von Werbematerialien anarchistischer Verlage und des Schwarzen Fadens neben meinem Geschichts-Lehrbuch auf dem Schreibtisch wurde doch wohlwollend zur Kenntnis genommen.
Oder verkläre ich das im Nachhinein?
Eines verkläre ich ganz sicher nicht: Früher konnte man solche Verlage auch auf der Frankfurter Buchmesse antreffen. Ich fand das toll und habe begeistert in Programmen gestöbert, von denen ich sonst mit viel Glück einige Titel in Mannheim in der Xanthippe oder im Anderen Buchladen finden konnte. Vielfalt, Freiheit, Gegenentwürfe – mir ging es nie ums Recht haben, sondern darum, zu erfahren, was noch möglich sein könnte.
Heute finde ich diese Verlage nicht mehr auf der Frankfurter Buchmesse. Dafür muss man nach Leipzig fahren. Den Schwarzen Faden gibt es nicht mehr. Aber ja, Graswurzelrevolution gibt es immer noch. Über den kleinen Stand auf der Leipziger Buchmesse habe ich mich sehr gefreut.
Dieses Jahr habe ich ihnen sogar eine Broschüre abgekauft: Kleine Geschichte des Anarchismus – Ein schwarz-roter Leitfaden. Beeindruckt hat mich die Leichtigkeit und Exaktheit, mit der die Strömungen des Anarchismus erklärt werden: Individualanarchismus, mutualistischer Anarchismus, Anarcha-Feminismus, libertäre Erziehung …
Den Kampf der anarchistischen Strömungen untereinander konnte ich nie so richtig nachvollziehen. In diesem Sach-Comic werden zumindest die Unterschiede prägnant und leicht nachvollziehbar auf den Punkt gebracht. Respekt! Das erspart durchaus die Lektüre vieler dicker Wälzer.
Wer es genauer wissen will, der kann immer noch zu Stowasser greifen. Nein, ich meine nicht das Latein-Wörterbuch, sondern den großartigen Autor und Aktivisten Horst Stowasser. Ausgerechnet das beschauliche Neustadt an er Weinstraße hatte er sich als Wirkungsstätte rausgesucht. Das, was dort funktioniert, könnte wohl überall funktionieren – so lautete der Plan A. Leider ist Horst Stowasser viel zu früh verstorben. Zum Plan C kam es so nie.
Sein Buch „Freiheit pur!“ erschien damals im Eichborn Verlag, dem Verlag mit der Fliege, der durchaus mal anarchistischen Humor hatte – bevor daraus ein Konzern-Verlag wurde. Aber das ist eine andere Geschichte und auch wieder ein Grund, warum ich mich über die Anwesenheit des Verlags Graswurzelrevolution auf der Leipziger Buchmesse so gefreut habe.
Bibliographische Angaben:
Kleine Geschichte des Anarchismus
Ein schwarz-roter Leitfaden – Comic
Verlag Graswurzelrevolution
ISBN 9783939045144
Horst Stowasser
Anarchie!
Idee – Geschichte – Perspektive
Edition Nautilus
ISBN 978-3-89401-537-4
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