Wenn Patti Smith die Großmutter des Punks ist, warum finde ich dann so wenig Spuren dieser mütterlichen Linie im Punk?
Weil bereits das Bild der Großmutter, das sicherlich ein Ehrentitel sein soll, falsch ist. Nur weil eine großartige Künstlerin ergraut ist und auf ein reiches Leben zurückschauen kann, ist sie noch lange keine Großmutter. Die Wortwahl verrät mehr darüber, wie wenig Bezeichnungen wir für Frauen jenseits des gebärfähigen Alters haben, als über die Künstlerin selbst.
Das ist der eine Grund, warum mich der in der deutschen Presse verwendete Begriff Großmutter des Punks auf die Palme bringt. Es gibt noch zwei weitere Gründe.
Punk und ich – warum nur dauerte es so lange, bis ich die Frauen sah?
Punk, das war für mich zuerst nur laute, ungestüme Musik. Sie kam über das Radio, über die BBC Charts. Zum Ehrenkodex der Radiomoderatoren gehörte es, alle Neueinsteiger der Charts zu präsentieren. Singles, die sie noch nicht vorliegen hatten, wurden in der nächsten Woche gespielt. Es lief also krasses Zeug im Radio. Songs, die sich irgendwo auf den hinteren Plätzen der Hitparade tummelten, und die heute nicht mehr gespielt werden würden. Für mich am Radio hieß das: Kassettenrekorder bereit halten.
So muss Punk zu mir, in mein Mittelschichts-Kinderzimmer, gekommen sein. Über die Bands wusste ich nichts. Gehört habe ich männliche Stimmen. Später sah ich in der englischen Musikpresse, die ja mehr Boulevard als Musikjournalismus war, Fotos. Auf der Bühne Männer. Mädchen im Publikum.
Punk war also ein Jungs-Ding, das ich als Mädchen bewundern konnte – oder es auch lassen. Als dann die Punks mit Dosenbier und Hunden in der Fußgängerzone abhingen, traf ich eine Entscheidung: Ich nahm die rohe Energie der Musik – und suchte sie woanders.
Eine gute Wahl, denn dann konnte ich Bands entdecken, die Energie und Weiblichkeit enthielten – so, wie die Riot Grrrls. Aber das ist eine andere Geschichte, zu der ich meine Gedanken gerade lesend sortiere.
Dort fand ich auch Spuren von Patti Smith: Das Ringen um den eigenen Ausdruck, das unbedingte Machen-Wollen, Kreativ-sein-wollen, sich mehr zutrauen als einfach nur mit den Jungs abzuhängen und die Bereitschaft, in der Öffentlichkeit zu scheitern – da entdecke ich ihren Einfluss.
Godmother – ja. Ikone – vielleicht.
Grandmother? No way!
Der dritte Grund, warum ich mich über den Begriff Großmutter des Punks aufrege, ist, dass höchstwahrscheinlich deutsche Journalisten einfach den erstbesten Begriff genommen haben, der ihnen in den Sinn kam, als sie in der amerikanischen Presse von der Godmother of Punk lasen. Godmother ist aber eben keine Großmutter, auch keine Göttin und auch keine Mutter – sondern eine Patin!
Patin. Patentante. Das lasse ich gelten.
Doch für mich ist Patti Smith eher ein Mantra: Gebündelte kreative Energie, die mit jedem neuen Kontakt stärker wirkt.
Und nun gehe ich weiter lesen. M-Train von Patti Smith, Miniaturen und Erinnerungen. Großartig – genau wie diese hier: Just kids. Oder das hier: M Train.
Über Punk von Frauen könnt ihr hier lesen: Our piece of punk. Zu den Riot Grrrls empfehle ich euch dieses Buch.
Für mehr Musik mit Energie folgt bitte RRRSoundz – es lohnt sich. Oder Fragmente Deutschland.