Das Literaturcamp Heidelcamp ist ein offenes Barcamp, eine Unkonferenz rund ums Buch, die Literatur, das Schreiben und Veröffentlichen. Es machte seinen Namen diesmal alle Ehre – noch unkonferenziger als das, was ich in den zwei Tagen erlebte, geht kaum.
Das begann mit dem Anfang: extra eine halbe Stunde früher starten als letztes Jahr um dann eine halbe Stunde mit der Technik rumschraddeln, bis endlich alles läuft. Das hätte man durchaus auch vorher proben können. Auch ein kleines Skript, was es alles zu sagen gibt, könnte helfen. Über die Hälfte der Anwesenden war noch nie auf einem Barcamp – da muss man auch ein wenig erklären, dass alles in Selbstorganisation abläuft. Dann müsste man auch am zweiten morgen nicht so schimpfen, dass Müll wegräumen und leere Flaschen in die Kästen zurückstellen nicht geklappt hat.
Egal, ich hab Euch trotzdem lieb.
Unkonferenz – jede Session ist unerwartet und anders
Meine erste Session war gleich Unkonferenz pur.
„Mein Name ist Paul und ich habe ein teures Hobby: ich gebe eine Literaturzeitschrift heraus.“
Das Publisher-Paradoxon nannte er seine Session und wollte seine These ergründen, dass es mehr Menschen gibt, die in einer Literaturzeitschrift veröffentlichen wollen, als solche, die diese Zeitschrift kaufen würden.
Belegen wollte er es mit seinem eigenen Projekt Richtungsding.
Doch schon nach 10 Minuten begann das Publikum daran zu zweifeln, dass seine Zeitschrift als Beispiel geeignet sei und begann, sehr klug und direkt, Marketing und Vertrieb zu hinterfragen.
Mir gab die Session viel, denn ich nahm nicht nur einen Haufen intelligente Fragen mit, sondern auch das beste Foto, dass ich auf dem Literaturcamp 17 gemacht habe. Danke Paul – seit deiner Session denke ich darüber nach, wie veröffentlichen ohne Zielgruppe funktionieren könnte. Daher betrachte ich diese Session als ein gutes Beispiel, was Unkonferenzen leisten können. Wer jedoch erwartet hatte, in dieser Session eine Art Schulung zu bekommen, war enttäuscht.
Eine unerwartet gute Schulung bot hingegen Lebe Deinen Blog von Anna alias Ink of Books. Sehr souverän, sehr kompakt und mit viel mehr Informationen, als ich dachte, dass man in 45 Minuten packen könnte. Ein Blog ist ein Gesamtpaket und besteht aus Bildsprache, Tonalität und persönlicher Erzählstimme. Ein Blog ist aber auch eine Reise hin zu der Persönlichkeit, die man auf dem Blog sein möchte. Diese Blogpersönlichkeit ist nicht deckungsgleich mit der Privatperson hinter dem Blog. Übrigens könnte ich meinen Blog nicht so einfach mit drei Hashtags charakterisieren, wie Anna das vorschlägt. Ich werde weiter darüber nachdenken und bedanke mich für die kluge Session!
Auf jedem Barcamp sollte man sich mindestens eine Session anhören, von deren Thema man nichts versteht. Zu gerne hätte ich den Vortrag von Ingeborg von der EBookerei zum Thema barrierefreie EBooks gehört. Allein die Göttin des Zeitplans war mir nicht hold. Nun, es liefen auch immer 8 Sessions parallel. Wir haben also alle gefühlt mehr verpasst als gehört. Auch das gehört zu einer Unkonferenz dazu.
Alternativ habe ich mir dann „Schreiben fürs Hören“ herausgesucht, denn von Podcast oder Radio-Journalismus verstehe ich wenig. Was für eine muntere und bereichernde Session von Nora alias Die Anachronistin und Kati alias Kati quatscht. Auch dieser Vortrag war ein gutes Beispiel dafür, was Unkonferenzen leisten können – improvisiert, erfrischend und frei Schnauze. Auf einmal verstand ich dann doch was vom Thema:
Schreiben fürs Hören ist näher am Online schreiben als am Print schreiben. Jetzt verstehe ich doch was vom Thema. #litcamp17
— Dagmar Eckhardt (@DagmarEckhardt) 24. Juni 2017
Klaus NPunkt, seit sehr langer Zeit Perry-Rhodan-Redakteur, könnte ich stundenlang zuhören. Er bot in seiner Session einen Werkstattbericht: Wie entsteht die Serie, welche Formate können die alten Heftchen ersetzen, was haben Karl May und Perry Rhodan gemeinsam und wie um Himmels Willen bekommen wir mehr weibliche Protagonisten … Großartig. Und hiermit äußere ich meinen ersten Wunsch für das #litcamp18: Klaus, mach doch mal was zu Punk und Literatur!
Was ist ein Barsortiment und was hat Amazon damit zu tun: Heiko und Michael vom Barsortiment Umbreit boten einen Einblick in die Welt eines Dienstleisters, der außerhalb des Buchhandels kaum wahr genommen wird. Was mir hier im Gedächtnis bleibt ist: Kunde bestellt ein Buch bei Amazon, Amazon bestellt beim Barsortiment, denn das große A hat weniger Bücher vorrätig als ein Barsortiment. Die liefern das Buch nach Polen und von dort liefert Amazon das Buch wieder nach Deutschland. Da fehlen mir die Worte, um einen solchen Wahnsinn zu beschreiben.
Session Nr. 3: Was ist ein Barsortiment? Huch, das ist ja unsere eigene! ? #Litcamp17 pic.twitter.com/DuUdUT5MMK
— Heiko Dörr (@HeikoDoerr) 24. Juni 2017
Meine Neugier führte mich auch in die Session des Astikos Verlags, da mich interessierte, wie sie ihr dezentrales Team organisieren. Aus der Session wurde schnell im Zusammenspiel mit Kollegen des Carl Auer Verlags ein Erfahrungsaustausch – danke dafür!
Einen Überblick über die aktuellen Entwicklungen wollte ich bei dieser Session bekommen: Mojoreads, ehemals log.os, tritt an um die Plattform für alle Belange des buchischen Lebensstils zu werden. Spannendes Projekt, definitiv. Ich werde es weiter verfolgen!
Aber was wünsche ich mir für das #litcamp18?
Diese Zwischenüberschrift besagt schon mal zweierlei: ich habe in meiner eigenen Session, SEO für Menschen, die lieber schreiben als sich um Technik zu kümmern, gut aufgepasst und ich möchte 2018 wieder dabei sein, denn ich habe diese Unkonferenz ins Herz geschlossen.
Wünsche habe ich einige.
- Ich wünsche mir ein Publikum, dass seine Erwartungshaltung ablegt und nicht davon ausgeht, Kurz-Schulungen zu bekommen, die sich mindestens auf VHS-Niveau bewegen.
- Ich wünsche mir eine stärkere Durchmischung der Sparten. Manchmal hatte ich den Eindruck, dass es parallel ein Barcamp für Autoren, eines für Blogger und eines für Verlagsmitarbeiter gab.
- Ich wünsche mir mehr Out-of-the-Box Themen; Sessions, bei denen der Zusammenhang zum Buch erst auf den zweiten Blick klar wird. Zum Beispiel eine Punksession.
- Ich wünsche mir noch mehr Kinder auf dem Literaturcamp – die Kinderbetreuung macht das möglich – sowie Sessions zu Kinderbüchern.
- Ich wünsche mir, dass die Orga in der Einführung nicht nur darauf hinweist, dass jeder eine Session anbieten sollte, sondern auch darauf, dass jeder mindestens eine Session besucht, die ein für ihn absolut unbekanntes Thema behandelt.
Und was wünscht Ihr Euch für das #litcamp18?
Session verpasst? Hier gibt es manches zum Anschauen.
Rückblick auf das Literaturcamp Heidelberg 2016:
- Der Buchblogger, das unbekannte Wesen – meine Session auf dem #litcamp16
- Mein Fazit zum #litcamp16
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