Make „Mädchen“ great again

Riot Grrrl Revisited Geschichte und Gegenwart einer feministischen Bewegung

Mädchen war für mich immer ein guter Begriff, gerade zu ein Ehrentitel. Mädchen – das bedeutet für mich unbändige Kraft, Offenheit und Lebenslust. Als Mädchen entdecken wir die Welt und probieren aus, was wir vom Leben wollen. Wir haben die Möglichkeit, alles auszutesten: Wir können auf den Baum klettern oder ihn malen. Wir können mit den Jungs raufen oder mit ihnen die Welt verändern. Wir können alles sein, wir müssten uns nur entscheiden. Aber wir haben noch Zeit – wir müssen noch gar nichts.

Als ich das erste Mal von einer Frau ermahnt wurde, weil ich mich und meine Kolleginnen als Mädels bezeichnet habe, war ich perplex. Sie wiederum war irritiert, warum mir nicht bewusst war, dass Mädchen ein Begriff ist, der erwachsene Frauen klein macht. Es folgte eine lange, bereichernde Diskussion. Seit dem passe ich auf, in welchem Kontext ich Begriffe wie Mädchen, Mädels oder Girls verwende.

Interessant war, dass ich mich in der Diskussion nicht dran erinnern konnte, warum Mädchen für mich durch und durch positiv belegt ist. Das erste, was mir einfiel, waren meine schwulen Freunde, die sich selbst als Mädels bezeichneten. An die Riot Grrrls habe ich in dem Moment nicht gedacht. Was daran liegen könnte, dass ich ihre Musik und ihre Werte eher unbewusst inhaliert hatte. Als Bewegung habe ich sie nie wirklich wahrgenommen.

Riot Grrrls – als Mädchen für ein paar Sommer ein Ehrentitel war

Was bei mir in Deutschland von der Riot Grrrl Bewegung in Clubs, Musikpresse und Radio ankam, waren nur aus dem Kontext gerissene und in sich verdrehte Bruchstücke. Hole und L7, die Bands, die ich damals am liebsten hörte, zählten sich selbst auch gar nicht zu den Riot Grrrls. Solche Zusammenhänge wurden mir erst durch das Buch „Riot Grrrls revisited – Geschichte und Gegenwart einer feministischen Bewegung“ bewusst.

Wie die Bewegung eigentlich entstand, was für eine Infrastruktur an Fanzines, Clubs und freiem Radio dafür nötig war, darüber informiert das Buch Riot Grrrls revisited sehr, sehr gründlich. Detaillierte Recherche und klug gewählte Interviewpartnerinnen zeigen, was für eine Kraft die Musikerinnen damals frei setzten. Der Kontrast zwischen dem, was die Riot Grrrls wollten, und dem, was ihnen die Musikpresse andichtete, ist krass. Und lehrreich.

„Die Revolution besteht darin, mit deinen besten Freundinnen den Spielplatz zu erobern. Du hängst mit dem Kopf nach unten an der Stange und alles Blut strömt dir in den Kopf. Ein euphorisches Gefühl. Die Jungs können deine Unterwäsche sehen, aber uns ist es egal.“
Zitat – Bikini Kill. Aus dem Buch „Riot Grrrls revisited.“

Und was blieb übrig?

Auf die Riot Grrrls folgte Girl Power und die Spice Girls fluteten die Mädchenzimmer mit Merchandising. Die Presse atmete auf, denn Mädchen waren ab da vor allem wieder niedlich und damit deutlich weniger gefährlich. Was ich, als Tank-Girl-Fan, für eine Fehleinschätzung halte.

Wurde die Strahlkraft und Energie der Riot Grrrls durch die darauf folgende Welle an Niedlichkeit ausgelöscht? Nein. Spuren der Riot Grrrls finden sich auch heute noch. Sie haben genug Mädchen und Frauen ermutigt, ihren eigenen Weg zu gehen. Das wirkt immer noch nach. Auch das macht das Buch sichtbar.

Make „Mädchen“ great again!

In einer Zeit, in der Bücher zum inneren Kind sich jahrelang auf der Sachbuch-Bestsellerliste halten, wäre meine Hoffnung, dass mehr Menschen ihr inneres Mädchen entdecken und ihm wieder die Freiheit geben, die es damals als Riot Grrrl lautstark eingefordert hat.

Ich freue mich auf jeden Fall darauf, auch irgendwann mit 90 Jahren noch Mädelsabende zu feiern und mich und meine Freundinnen voller Stolz als Mädchen bezeichnen zu können! In diesem Sinne: Make „Mädchen“ great again!

Infos zum Buch:

Katja Peglow / Jonas Engelmann (Hg.)

Riot Grrrl Revisited
Geschichte und Gegenwart einer feministischen Bewegung
Erweiterte Auflage des Standardwerks


Ventil Verlag

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2 Kommentare

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