Die Comic-Anthologie »Nächstes Jahr in« beleuchtet Facetten jüdischen Lebens. Doch so, wie der Satz jetzt hier auf meinem Blog steht, wird er der Vielschichtigkeit der Comicsammlung nicht gerecht. Denn Facetten jüdischen Lebens bedeutet, dass mehr als der Alltag und historische Ereignisse gezeigt werden. In jeder Geschichte schwingen Hoffnungen, Träume und Wünsche mit. Der Wunsch, eines Tages anzukommen und eine Heimat zu haben. Die Träume von einem friedlichen Zusammenleben und die Hoffnung, dass der Antisemitismus verschwindet – am besten gleich jetzt.
Doch dieser Comic ist nicht angetreten, Judenhass zu erklären. Und auch nicht das Judentum. Er ist eine Einladung, Lebenswelten zu entdecken. Die Gründungsgeschichte des Plattenlabels Blue Note Records. Das bewegte Leben des jüdischen Räuberhauptmanns Abraham Picard. Die Erlebnisse einer Mutter in der Gegenwart, die ihr Kind Aaron genannt hat. Frauen in der Résistance. Die Gedanken eines Leibarztes im Mittelalter, der den Sederabend nicht mit seiner Familie verbringen kann.
Und doch merkt man den Comics den Bildungsauftrag an. Nicht nur wegen der kurzen Info-Texte, die nach jeder Geschichte folgen. Es ist ein Häppchen-Buch für Nicht-Juden, weswegen es wohl bei Juna, der Bloggerin von irgendwie jüdisch, gemischte Gefühle auslöste.
Ich finde die Idee des Buches gut. Doch hinterlässt es etwas Unausgegorenes, Eiliges.
Blog Irgendwie Jüdisch
Ich kann das nachvollziehen. Aber für mich las sich die Comic-Anthologie richtig. Die Herangehensweise, so unterschiedliche Persönlichkeiten mit jeweils einem Detail-Aspekt herauszugreifen, ging für mich auf.
Was für mich im Gedächtnis bleiben wird, ist nicht nur die Geschichte der jüdischen Berufsschule in Darmstadt, auf der Überlebende des Holocausts auf ein Leben in Israel vorbereitet wurden – etwas, wovon ich vorher noch nie gehört hatte. Genau wie die Bedeutung des Sederabends, dem Abend vor Pessach, für den familiären Zusammenhalt. Er beginnt mit der Frage des jüngsten Kindes an die Eltern: »Was unterscheidet diese Nacht von anderen Nächten?« und endet viel später mit der hoffnungsvollen Formel »Nächstes Jahr in Jerusalem«.
Ich bin mir sicher: Ein Zeitungsartikel oder ein vertiefendes Sachbuch hätten für mich nicht die eindringliche Wirkung der Comic-Anthologie »Nächstes Jahr in« entfaltet!
Infos zum Comic:
Nächstes Jahr in
Comics und Episoden des jüdischen Lebens
Herausgegeben von Meike Heinigk, Antje Herden und Jonas Engelmann
Mit Comics von Barbara Yelin, Simon Schwartz, Moni Port, Hannah Brinkmann, Tobi Dahmen, Tine Fetz, Elke Renate Steiner, Büke Schwarz und anderen
Ganz was anderes und doch passend: das Bilderbuch „Ein Pferd zu Chanukka“
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Wirklich sehr gelungen;)