Mein Kollege vom Grooveblog meinte, dass auch wir am Jahresende zurückblicken oder hören könnten. Da hat er recht, doch die erhofften Top-5 Songs 2015 kann ich ihm und Euch diesmal nicht bieten.
Wirklich nicht.
Und das verblüfft mich selbst.
Was ich aber bieten kann sind meine Top 5 Erlebnisse mit Musik 2015.
Deren Existenz erklärt dann auch die Abwesenheit der Hitliste: Der Student über mir – Stille – Youtube nervt – Musik da draußen – Stuttgarter Nervengeflecht. Bonus-Kapitel: Musik lesen.
Der Student über mir
Der Student über mir mag Musik. Das merke ich an den vielen Amazon-Paketen, die ich für ihn annehme, die eindeutig Vinyl-LPs enthalten. Aber was hört er eigentlich? Am Anfang drang ein undefinierbares Gewummer durch die Decke an meinem Schreibtisch, der anscheinend genau unter seiner Anlage steht. Monate später AC/DC und dann auf einmal drei Tage Nirvana Teen Spirit in Endlos-Schleife. Es gibt Schlimmeres, aber irgendwie fühlte ich mich alt dabei.
Aktuell entdeckt er Queen. Neue Musik, also Musik, die ich nicht identifizieren kann, hört er kaum. Ist das heute so? Führt dieses unglaubliche Fülle an Musik da draußen dazu, dass man sich an den Charts vergangener Jahrzehnte entlang hangelt?
Die nachmittägliche Dauerbeschallung durch die WG über mir führt mich zum nächsten Thema:
Stille
Ich habe die Stille schätzen gelernt. Hintergrundmusik oder Nebenbei-Musik gibt es bei mir nicht mehr. Musik hören ist ein bewusstes Erlebnis geworden.
Wieso soll ich singen, wenn ich auch schweigen kann? heißt es in einem Song der Nerven. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Das führte bei mir auch zum Sterben des Radios. Womit wir beim nächsten Punkt sind:
Youtube nervt
Youtube nervt: zu viele, zu lange Werbeeinblendungen und der Streit mit der GEMA verbessert die Situation auch nicht.
Lange Zeit war Youtube für mich ein guter Ort, um Musik zu recherchieren und zu entdecken. Meine ganze Neo-Rockabilly, Americana und Country-Punk-Phase wäre ohne Youtube nicht so dauerhaft gewesen.
Der Service ist krank, die Karawane zieht weiter. Doch wohin? Wo ist die Musik jenseits der Charts, die ich hören mag – wohl kaum auf Spotify?
Gut, wenn man einen DJ seines Vertrauens hat. Was mich direkt zum nächsten Punkt führt:
Musik da draußen
Wo befindet sich die Musik die ich hören mag? Immer häufiger da draußen.
Die Boxen an meinem PC sind ordentlich, aber kein Klangwunder. Meine Stereoanlage stammt aus den 90er Jahren und ist auf Vinyl, CDs und Cassetten ausgerichtet. Wenn ich zu Hause mehr Musik hören wollte, dann müsste ich mich nicht nur an neue Bezugsquellen gewöhnen, ich müsste mich mir auch neue Technik aneignen.
Der Buchhändler vom Grooveblog hat einen ganz wunderbaren Artikel aufgetrieben, der die Probleme beschreibt, die die Entkörperlichung der Plattensammlung mit sich bringt.
All das führt dazu, dass ich immer häufiger Musik da draußen entdecke, zum Beispiel im Teufel in Mannheim beim DJ meines Vertrauens. Dort klingt einfach alles besser als bei mir zu Hause.
Musik da draußen hören heißt auch, endlich wieder auf Konzerte zu gehen. Aus vielerlei Gründen kam das in den letzten Jahren zu kurz. Wer den ganzen Tag im Laden steht hat meist wenig Lust, abends auf einem Konzert zu stehen. So kam es, dass es mit dem Maifeld-Derby schon seit Jahren ein OpenAir in Fahrrad-Nähe gibt und ich erst letztes Jahr zum ersten Mal dort war. Jetzt noch im Gedächtnis sind bei mir Soft Moon, The Rural Alberta Advantage und eine Band aus Stuttgart.
Womit wir zum Highlight des Jahres kommen:
Stuttgart
Ich hätte ja nie gedacht, dass ich mal Stuttgart als Highlight des Jahres bezeichnen würde. Nur die Nennung von Karlsruhe würde mich noch mehr schockieren.
Die Buchhändlerin ist ja auf dem besten Weg, Fan-Girl zu werden – aber das ist jetzt doch ein wenig over the top …
Posted by Grooveblog on Mittwoch, 16. Dezember 2015
Es ist mir bisher nur selten passiert, dass ich eine Band gleich zweimal in einem Jahr live sehe. Human Abfall auf dem Maifeld Derby und beim Bite it! – Sounds of Subterrania Festival im JUZ, Die Nerven auf dem FEST in Karlsruhe und im Cafe Central in Weinheim.
Ich hatte mich ja schon fast damit abgefunden, dass ich zu den Musik-Fans gehören werde, die jenseits der 40 fast nur noch hören, was sie schon in ihrer Jugend gehört haben. Gott sei Dank kam es anders! Fan sein fühlt sich gut an und die gefühlten dreihundertölfzig Nebenprojekte der Musiker machen das Fan-Sein nur um so angenehmer.
Bonus-Kapitel: Musik lesen
Musik lesen 2015 bedeutet, zuerst einen Nachruf schreiben zu müssen. Dynamite ist von uns gegangen, das Rockabilly Magazin wurde ein Opfer der Print-Krise. So war ich nicht Leser der ersten Stunde, aber sehr wohl der letzten Stunde.
Zur Autobiographie von Kim Gordon habe ich ein wenig zögernd gegriffen. Ich hatte befürchtet, dass sie mir zuviel über das Scheitern ihrer Ehe erzählt und ich habe nun mal eine Allergie gegen Familiengeschichten aller Art. Die Sorge war unbegründet, denn die Frau hat Stil. So wurde „Girl in a band“ zu meinem Musik-Lesen-Highlight 2015 – hier meine Rezension.
Das war mein Musikjahr 2015. Was 2016 bringen wird könnt Ihr dann in Echtzeit auf dem Grooveblog verfolgen:
Der Grooveblog, ein privater und doch öffentlicher Dialog zweier Freunde über Musik, verzeichnet ein rasantes Fan-Wachstum. Nicht. Immerhin halten wir uns in diesem Jahr stabil bei etwas über 100 Fans. Wenn Du uns besuchst wird uns das also sicher auffallen!