Aus. Das Derby ist aus. Das siebte Maifeld Derby war mein drittes. Was war? Was bleibt? Wer will das wissen?
Ich. Ich will das wissen. Die Erinnerungen an mein erstes Maifeld Derby überlagern sich mit dem zweiten. Wann habe ich Die Nerven gesehen? Metz? Freiburg? Human Abfall? Soft Moon? Und wie hieß diese andere Band mit S?
Diesmal habe ich mir Notizen gemacht – auf Instagram, auf Facebook, auf dem Grooveblog. Solche Notizen sind vergänglich, rutschen nach unten, nach hinten, weg.
Also muss eine Meta-Notiz her, hier, auf dem Blog.
Ein Festival besteht aus Momenten. Das Grinsen von Gemma Ray. Staub, der auf einer Schicht von Sonnenmilch klebt. Technikausfälle am Keyboard, die vom Sänger überspielt werden. Eine Rückkopplung, ein Schwarm Krähen über dem Palastzelt, ein Marienkäfer in der Menschenmenge. Eine Textzeile, ein Beat. Ein Gefühl, ein wahrer Moment.
Meine Sammlung an Band-Momenten beginnt mit
Gemma Ray. Wie konnte ich sie so lange übersehen? Fast wäre ich wegen Gemma Ray gewillt, dem Maifeld Derby den eklatanten Mangel an rockenden Frontfrauen zu verzeihen. Aber nur fast. Solange dort nicht eine Band vom Kaliber der Savages auftritt, bin ich nicht versöhnt. Aber ich schweife ab. Gemma Rays hintergründiges Lächeln war für mich der perfekte Start in mein Festivalwochenende. Genialer Sound, großartige Songs und so was von eigenständig weiblich … hach. Bin Fan-Girl ab jetzt und werde nie wieder den gleichen Blick auf Küchenmesser haben.
Lytics machten schlechten Sound mit dreifacher Energie wett und wirkten perplex, wie verdammt gut ihr Old-School-HipHop ankam. Was für ein Spaß für alle!
Friends of Gas hatten mich im Vorfeld neugierig gemacht. Ihr Ewiges Haus gehört dann auch zu meinen Festival-Ohrwürmern. Guter Gig, aber irgendwas fehlte für mich. War es das hermetische Agieren der Band in entspannter Konzentration, das auch in ein Labor passen würde? Oder fehlte mir eine zweite Stimme? Ich mag die kratzige Mädchenstimme, sie ist ein Hinhörer. Aber den Songs täte eine zweite Stimme gut.
Vor Heim gab es für mich noch einen schön stimmigen Auftritt von Rue Royale, die perfekt auf die kleine Bühne mit der besonderen Atmosphäre gepasst hat: Parcours d’Amour, der Ort für die gefühlvollen Entdeckungen.
Stimmungsbreak, Heim im Brückenawardzelt. Whäm. Beste Energie, geiles Set. Genau das, was ich mir im kleinsten und rauesten Zelt erwarte.
Zu White Wine, die mich schon mal auf dem Maifeld begeisterten, kann ich diesmal nichts sagen. Bis sie ihre Technik zum Laufen gebracht hatten, wollte ich schon wieder jemand anderes sehen.
Letzte Band, oder besser gesagt Ereignis, waren für mich Trentemøller. Groß, aber für mich zu perfekt.
Zum Abschluss des ersten Tages dann noch die indirekte Begegnung mit dem größten Arschloch des Festivals: Reifen platt, Luft wurde herausgelassen.
Möge der Mensch, der gestern beim #Maifeld17 Luft aus meinen Reifen gelassen hat, ab jetzt immer 2m Menschen auf Konzerten vor sich haben.
— Dagmar Eckhardt (@DagmarEckhardt) 17. Juni 2017
Schlafen, duschen, Familienkram erledigen, auf zu Tag 2!
Angekommen zu Klez.e und direkt in den 80ern gelandet. Schon lange nicht mehr so einen schönen Cure-Schlagzeug-Sound gehört. Knochentrocken.
Ist es dreistimmiger GospelSpeedMetal, was Zeal & Ardor da präsentiert haben? Oder Spiritual-Black-Metal-Blues? Wer einen Namen für eine Schublade braucht war wohl noch mit Nachdenken beschäftigt, während das Publikum im Palastzelt schon längst abging. Was für ein Brett und deutlich härter als ich es erwartet hatte. Toll!
Auf Royal Canoe war ich neugierig, aber ihr Auftritt hat ihrer Musik nichts hinzugefügt, eher etwas weggenommen.
Mein erster Gedanke, als die Temples auf die Bühne kamen: Gebt den Jungs was zum Essen! Der zweite: zieht ihm den Pullunder aus. BritPop trifft auf die 70er. Passt perfekt auf ein Sommerfestival und auf eine Bühne auf einem Zirkuszelt.
Dadurch habe ich jedoch Pabst verpasst. Was nach allem, was ich gehört habe, schade war. Aber auch das gehört zu einem Festival.
Bei Metronomy nervte mich der Keyboard-Sound. Tidal Sleep boten geilen Hardcore, waren mir aber etwas zu nüchtern.
Also Pause und Zeit für einen Schorle mit Schnepfenpflug Riesling vom Margarethenhof Forst – was für eine gute Idee, die Getränkeauswahl auf dem Festival zu erweitern! Auch das Amber Lager der Weschnitztaler Braumanufaktur war lecker.
Vor Kate Tempest hatte ich mich mit Torsten alias RRRSoundz festgeschwätzt, meinem Mann in der ersten Reihe. So kam es, dass ich mich auf einmal bei Konzertbeginn in der zweiten Reihe wiederfand.
OK …
Aber ja, ich blieb dort bis kurz vor Schluss, bis mich ein paar fiese Frequenzen vertrieben. Wahrscheinlich gehöre ich zu den wenigen Festivalbesuchern, die für die strikten Dezibel-Auflagen beim Maifeld Derby dankbar sind.
Kate Hurricane Tempest also. Letztes Jahr erlebte ich ihre Lesung auf dem Maifeld Derby. Dieses Jahr also szenischer Poetry Slam mit Musikuntermalung. Nächstes Jahr dann vielleicht mit richtiger Musik? Aber yeah, es war großartig. Was für eine Wortgewalt, eine Wucht, eine Energie, eine unbändige Lust, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Bleibt die Frage des Tages: wie kann sich ein Mensch so viel Text merken?
Was kann nach so einem Auftritt bestehen? Moderat konnten es. Nur ich konnte nicht mehr stehen, nur ab und an mal tanzen. Dann habe ich wenigstens die absolut großartige Lightshow erlebt.
RRRSoundz hatte gesagt, ich muss bis zum Auftritt von Gewalt wach bleiben. Also blieb ich wach, auch wenn ein Auftritt um 2 Uhr nachts jenseits meiner Festivalkondition liegt. Natürlich hatte er recht. Im Prinzip. Geile Band. Aber einer von uns beiden war zu müde für echte Begeisterung. Würde ich aber noch mal wiedersehen wollen. Nachmittags. Nach Kaffee. Oder so.
Ereignislose Heimfahrt. Ausschlafen. Den Staub des Derbys abwaschen. Beobachten, wie sich das Badewasser grau verfärbt. Viel Staub gab es diesmal – angeblich das erste Festival, das ganz ohne Regen daher kam.
Nach dem Ausschlafen kommt das wach werden. Das führte dazu, dass ich nicht um 12:30 wieder dort war. King Khan and the Shrines gab es daher für mich nur im Live-Stream von Arte. Bedauerlich, das gebe ich zu!
Überhaupt: Arte. Ein großer Erfolg für das Liebhaber-Festival, das Arte vor Ort war. Aber die Anwesenheit von Kamera verändert etwas. Man schaut, was die Kamera macht und fragt sich, was sie sieht. Man will hinschauen und der Arm der Kamera ist im Weg. Die Anwesenheit der Kamera führt eine Ebene ein, die vorher nicht dort war. Sie lenkt ab, denn sie ist schwer zu ignorieren.
Sonntag, Familientag. Seniorentag. Im Gegensatz zum Samstag nicht ausverkauft. Thurston Moore in der Mittagshitze. Sechs Songs genügen ihm für eine Stunde Konzert. Feinstes Geschraddel, grundsolide. Aber es fehlt ein Counterpart, der ihm musikalisch in den Arsch tritt und zu Höchstleistungen motiviert. Nett auch der Versuch, mit einem weißen, gebügelten, lässig geschnittenen T-Shirt den Bauch zu verstecken, der sich dann doch immer mal wieder oben auf der Gitarre ablegte. Aber hej – warum sollte es ihm besser ergehen als uns?
Auf zu Spoon und beim dritten Song wieder raus. Wie fad. Nach 15 Minuten doch wieder rein und, ups, ist das eine andere Band? Erstaunlich, was guter Sound auf einmal ausmacht. Tanzmucke für das Mädchen in mir.
King Gizzard & the Lizard Wizzard – einfach fein, wieviele Menschen man immer noch mit Metal und Hardrock glücklich machen kann. So ganz nebenbei haben die jungen Australier, die sich da in der Mannheimer Sonne rot färbten, 40 Jahre Musikgeschichte zitiert – einfach so, weil sie es können. Großartig!
Dann war ein Phänomen an der Reihe: Amanda Palmer. Eigentlich müsste ich sie auf Grund ihrer Ansichten lieben, oder? Aber ihr Buch Art of asking habe ich abgebrochen und den Auftritt habe ich trotz ihrer großartigen Bühnenpräsenz bald verlassen. Ihr Gestus und ich, wir passen nicht zusammen.
Primal Scream waren in meinem Freundeskreis schon immer die Konsens-Band für Partys aller Art. Zwar mochte jeder etwas anderes – Southern Rock, Rave, Elektro-Gedöns – aber irgendwie hat es immer für alle verlässlich gepasst. Party war das auch – aber eine von der trashigen Sorte. Ab und an konnte man mal die Gitarre hören, zu anderen Gelegenheiten hat der Sänger den Ton getroffen. Spaß hat es trotzdem gemacht.
Fazit, ein Fazit.
Das ist einfach: nächstes Jahr wieder.
Die Karten werde ich auch diesmal wieder kaufen, bevor auch nur eine einzige Band bekannt ist. Ich werde wieder Monate vorher beginnen, Bands zu entdecken, mir einen Plan machen und ihn dann vor Ort auf dem Maifeld über den Haufen werfen, um ganz andere Bands zu entdecken. So muss das.
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