Endlich sagt es mal einer! Das war mein spontaner Gedanke, als ich zum ersten Mal vom Begriff Waldbaden gehört habe.
Bis dahin war vom Wald als grüne Lunge die Rede gewesen, als Wasserschutzgebiet und Feinstaubfilter, als Naherholungsgebiet, Spielplatz für Kindergartenkinder und als Sportgerät.
Wer ohne Rucksack, Mountainbike, Hund und Kind im Pfälzer Wald unterwegs war, keine Pilze sammelte, weder Langstrecken laufen wollte noch den Premium-Wanderwegen folgte, dabei auch noch still vor sich hin lief und einfach nur atmete, schaute, lächelte – der wirkte fehl am Platz. Zumindest kam ich mir manchmal so vor.
Nun also die Trendwende. Sie kam aus Japan, hatte eine lange Tradition und wirkte zugleich urdeutsch und exotisch: shinrin yoku, waldbaden. Geh in den Wald, nimm ihn in Ruhe mit allen Sinnen wahr und kehre als glücklicher, gesunder Mensch in die Stadt zurück.
Wo ein Trend, da auch Bücher. Sie alle hatten eines gemeinsam: sie sprachen mich, die Waldliebhaberin, nicht an. Ich blätterte kurz rein, las ein paar Absätze und legte sie wieder weg. Da wurde viel Wissenschaft und noch mehr Worte bemüht um etwas zu begründen, was sich meiner Meinung nach nur erfahren lässt: die heilsame Wirkung, die ein Wald haben kann, wenn man sich mit allen Sinnen auf ihn einlässt.
Die Bücher ließen mir und meiner Liebe zum Wald keinen Freiraum. Dicht und eng gesetzt stürmten sie mit Input auf mich zu: Lies!Mich!und!Lerne! Oder sie steckten voller Aufforderungen: Mach!diese!Übung!Umarme!diesen!Baum!
Ich umarme gerne einen Baum – dann wenn mir und dem Baum danach ist. Der Wald sagt einem schon, welche Art Kontakt die angemessene ist.
Wald ist für mich Freiraum. Die Bücher wollten aus dem Wald ein System machen. Kein Wunder, das wir nicht zusammen kamen.
Freiräume machen den Unterschied
Nur eines sprach zu mir:„Waldbaden – Kraft und Energie durch Bäume“ von Werner Buchberger. Beim ersten Durchblättern hatte ich das Gefühl, frei atmen zu können – so, wie ich im Wald atme. Wie kann das sein? Es liegt am Layout und am Farbkonzept. Dieses Buch ist so gestaltet, dass es dem Leser Freiräume lässt, Platz zum Atmen und Denken. Es schenkt ihm damit die Möglichkeit, den Inhalt im eigenen Tempo zu erkunden.
Weil nun der Raum vorhanden war und ich mich als Leser mit eigenen Bedürfnissen akzeptiert gefühlt habe, konnte ich mich auf den Inhalt einlassen. Nun, was soll ich sagen: er besteht aus vielen Übungen, die ich alle nicht gemacht habe. Aber ich habe meine eigenen Erfahrungen und Vorgehensweisen mit denen des Försters Werner Buchberger abgeglichen. So entstand ein Dialog zwischen mir, dem Buch, dem Autor – und dem Wald.
Wir vier sind nicht bei allem einer Meinung. So habe ich meist im Wald mein Handy dabei und habe auch durchaus den Eindruck, dass es Bäume gibt, die auf dieses Netzwerk und seine Möglichkeiten zur Kommunikation neugierig sind. So wie diese Eiche, die ein Selfie mit mir machen wollte:
Nach der Lektüre eines Buches muss man wieder hinaus in die Welt. Und in den Wald. Dort waren sie wieder, die Pälzer Krischer. Gruppen auf dem Weg zur nächsten Hütte, die anscheinend eine Art Orientierung per Schall und Echolot entwickelt haben. Laut rufend – sie nennen es unterhalten – laufen sie durch den Wald. Man hört sie kilometerweit; an stillen Waldgenuss ist nicht zu denken. Ob ich ihnen in Zukunft ein Buch über Waldbaden in die Hand drücken sollte?
Angaben zum Buch:
Werner Buchberger
Waldbaden – Kraft und Energie durch Bäume
Mehr Bücher zum Thema Wald auf meinem Blog:
- Das verborgene Leben des Waldes – Natur, Wissenschaft und Poesie
- Das gar nicht so geheime Leben der Bäume – warum ich das Buch von Peter Wohlleben abgebrochen habe
- Menschenspuren im Wald – das Buch von Peter Wohlleben, das ich wirklich mochte
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