Holobiont. Wichtiges Wort. Vor der Lektüre von Bernhard Kegels neuem Buch „Die Herrscher der Welt. Wie Mikroben unser Leben bestimmen.“ kannte ich das Wort Holobiont noch nicht. Jetzt werde ich es sicherlich nicht mehr vergessen.
Holobiont – ich bin viele und nur miteinander können wir überleben. Was wäre ich ohne meine Darm-Mikroben? Unterernährt ist eine durchaus zutreffende Antwort, denn die Mikroben spalten für sich und für mich Nahrungsmittel auf. Ich könnte diese speziellen Nährstoffe sonst nur schlecht verwerten.
Und was wären meine Darm-Mikroben ohne mich? Auf jeden Fall heimatlos und hektisch darum bemüht, irgendwo anders für sich diese Nährstoffe zu finden, die es in meinen Eingeweiden im Überfluss gibt. Wir profitieren voneinander – zumindest so lange, wie sich alles im Gleichgewicht befindet. So viel sei schon mal verraten: weder einseitige Ernährung noch Antibiotika fördern das Gleichgewicht.
Er fragte sie (die Forscher), was sie selbst in ihrem Leben verändert hätten, seitdem sie an diesen Themen arbeiteten.
Ihre Antwort: Zurückhaltung mit Antibiotika, besonders bei den Kindern, daheim keine übertriebene Sauberkeit und die Aufforderung an die lieben Kleinen, draußen und mit Tieren zu spielen, sowie eine Ernährung, die weitgehend auf industrielle Fertigprodukte verzichtet.
Klingt eigentlich nicht so, als seien für diese Erkenntnisse zehn Jahre intensiver Mikrobiomforschung nötig gewesen. S. 241
Diese Herausforderung, das Gleichgewicht zu halten, besteht selbstverständlich nicht nur beim Menschen und seinen Darm. Der Mensch steht in Bernhard Kegels neuem Buch nicht im Mittelpunkt. Mikroben finden sich überall und sie sind anscheinend in der Lage, mit jedem Lebewesen eine nutzbringende Beziehung einzugehen. Eigentlich haben sie das Leben erst möglich gemacht und möglicherweise bestimmen sie unser Leben und unser Verhalten viel mehr, als wir das wahrhaben wollen.
Sachbuch mit Spannungsaufbau
Natürlich ist noch nicht alles erforscht und natürlich ist in Wahrheit alles viel komplizierter. Ohne Bernhard Kegel hätte ich kaum eine Chance, die komplexen und hochinteressanten Symbiosen zwischen Mikroben und ihren Wirten zu verstehen. Doch bei diesem Thema musste ich diesmal deutlich konzentrierter lesen als bei seinen anderen Büchern „Tiere in der Stadt“ und „Die Ameise als Tramp“. Nicht, weil der Autor in der Zwischenzeit das Erzählen verlernt hätte – das Gegenteil ist der Fall.
Sachbuch mit Spannungsaufbau – Bernhard Kegel kann das und noch viel mehr. Auch diesmal führte mich der Autor mit sicherer Hand durch mir doch sehr unbekanntes Terrain und unterhielt mich aufs Vergnüglichste mit lehrreichen Geschichten.
Das ich sein neues Buch nicht ganz so locker weglesen konnte wie seine Vorgänger, lag nur daran, dass mir die Materie wesentlich weniger vertraut war als das bei seinen letzten Büchern der Fall war. Bedingt durch Lesepausen fiel es mir schwer, die ganzen Mikroben, dieses ganze einzellige Gewusel, auseinander zuhalten.
Meine vielen Bewohner habe ich mir nicht gemerkt. Aber das die Mikroben und ich genau wie alle anderen Lebewesen ein Holobiont sind (und das ist gut so) – das bleibt im Gedächtnis. Individuen gibt es nicht.
Mein nächstes Buch von Bernhard Kegel liegt übrigens schon auf meinem „Das alles möchte ich bald lesen“-Stapel: „Epigenetik. Wie Erfahrungen vererbt werden“.
Dann habe ich alle Bücher von ihm gelesen – ein größeres Kompliment kann man einem Autor wohl kaum machen!
Weitere Angaben zum Sachbuch:
Die Herrscher der Welt
Wie Mikroben unser Leben bestimmen.
Dumont Verlag
ISBN 9783832197735
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