Ein schottischer Adliger in Dresden: Lord Findlater und seine Gärten

Lord Findlater und die Gärten seiner Zeit. Das Buch liegt unter Hyazinthen in einem Garten

Das Leben von James Ogilvy, 7. Earl of Findlater, hatte alles, was es für einen guten Roman braucht. Politische Ambitionen, Beleidigungsklagen und Familienintrigen. Standesdünkel und nicht standesgerechte Liebschaften. Desinteresse an einer heterosexuellen Lebensweise. Ein Vermögen, das zwar groß, aber doch zu klein für das kostspielige Interesse an Gartenkunst war. Bildungsreisen durch Europa und Flucht vor Kriegswirren. Nicht zuletzt eine Vision: den perfekten Landschaftsgarten zu errichten.

Und dann, als Lord Findlater endlich alle Grundstücke am Dresdner Elbhang in Besitz gebracht hatte, die er benötigte, um seinen Gartentraum »Findlaters Weinberg« zu verwirklichen, dann … stirbt er. Mit 61 Jahren. Sein Erbe: sein langjähriger Sekretär und Lebensgefährte Johann Georg Christian Fischer.

Zum Glück ist »Lord Findlater und die Gärten seiner Zeit« kein Roman. Einen solchen Plot-Twist hätte ich den Autoren nämlich nie verziehen. Aber es ist auch keine reine Biografie. Martin Päckert und Frank Klyne hatten anderes im Sinn. Sie verknüpfen Lord Findlaters Biografie mit Betrachtungen über die Geschichte der europäischen Gärten, mit der Lokalgeschichte von Dresden und von Karlsbad und mit der Realität homosexuellen Lebens um 1800. Und mit Goethe.

Denn Goethe und der schottische Lord kannten sich. Eigentlich naheliegend, dass der große Schriftsteller den queeren Charakterkopf inspirierend fand. Genauso faszinierend ist, dass bisher niemand dieser Spur gefolgt ist. Offensichtlich ist Goethes Werk immer noch nicht zu Ende erforscht!

Sozialgeschichte, Lokalgeschichte und Weltpolitik sowie Kulturgeschichte, Literatur und Gartenkunst – alles greift in diesem Buch schlüssig ineinander. Das liest sich nicht nur äußerst kurzweilig – es hat die Liste meiner Reiseziele und Orte, die ich sehen will, vergrößert. Viele der erwähnten Parks und Gärten kannte ich. Aber Findlaters Tempel in Karlsbad, Schlosspark Gaußig in der Lausitz, Schloss Helfenberg und Seifersdorfer Tal bei Dresden noch nicht.

Dann werde ich auch auf dem Friedhof in Loschwitz vorbeischauen und den Grabstein suchen, auf dem zwei Männer verewigt wurden. Und mich erneut darüber amüsieren, dass Lord Findlater einst versuchte, ungefragt Katharina der Großen Rat zum Thema Landwirtschaft anzudienen. Er schickte ihr wertvolle Fachbücher. Sie antwortete auf sein Mansplaining amüsiert, dass sie diese schon hätte, und führte weiter aus, warum seine Tipps für Russland untauglich wären.

Denn so unüblich wie sein Lebensweg auch erscheinen mag – Findlater war Lord durch und durch. Deswegen ging er einfach davon aus, dass die Welt auf ihn gewartet hat. Oder ist das nur meine feministische Deutung? »Lord Findlater und die Gärten seiner Zeit« trägt aus gutem Grund den Untertitel »Mehrdeutigkeiten eines Lebens und einer Kunstform«. Noch etwas, was ich neben der gründlichen Recherche sehr an dem Buch schätze: Es nimmt keine naheliegenden Abkürzungen und gibt keine Deutungen vor!


Buch: Lord Findlater und die Gärten seiner Zeit

Weitere Infos zum Buch:

Martin Päckert und Frank Klyne

Lord Findlater und die Gärten seiner Zeit
Mehrdeutigkeiten eines Lebens und einer Kunstform

WBG Verlag

Mehr über Lord Findlater in der Wikipedia
Mehr Infos über die Geschichte von Findlaters Weinberg


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