Misstrauen Sie dem unverwechselbaren Geschmack. Und der Unfehlbarkeit des Autors.

Buchrückseite: William Gibson - Misstrauen sie dem unverwechselbaren Geschmack. Essays und Artikel.Eigentlich sind mir Autoren egal. Ich interessiere mich für ihre Werke. Ja, ich weiß, es gibt einen Menschen dahinter. Aber ob Jasper Ffforde bereit wäre, Käse zu schmuggeln, ob Laurell Hamilton ein ähnlich spannendes Sexleben wie Anita Blake hat oder ob Terry Pratchett Cider oder Ale bevorzugte – das ist mit, gelinde gesagt, schnurz.

Aber manchmal liest man dann völlig unvermittelt Texte, in denen der Autor sich nackt macht. So ging es mit mit den Essays von William Gibson, die der Tropen Verlag in „Misstrauen Sie dem unverwechselbaren Geschmack – Gedanken über die Zukunft der Gegenwart“ veröffentlicht hat. Was soll man tun, wenn man auf einmal Dinge über einen Autor erfährt, die man eigentlich gar nicht wissen wolle? Weiterlesen, was sonst. Schließlich ist man Leserin.

Für mich waren seine Bücher – die Neuromancer-Trilogie habe ich hier besprochen – intelligente, gesellschaftskritische Zukunftsromane mit philosophischen Unterbau. Wieviel Mensch, wieviel William Gibson darin steckt – darüber hatte ich mir nie Gedanken gemacht.

Zum Glück erzählt William Gibson nicht nur über sich selbst. Er spricht über Bücher, Musik, Filme und vor allem darüber, wie Ideen zu ihm kommen und wie seine Bücher entstehen. So entsteht eine zweite Ebene: in dem Gibson über Sachthemen philosophiert und wohl dosierte Einblicke in sein Leben als Autor gewährt, ermöglicht er uns einen Blick in seine Werkstatt. Doch diese Teilhabe ist kein Panoramablick, es ist nur ein Blick durch das Schlüsselloch.

Zitat William Gibson über Joy Division

Wie Technik die Wahrnehmung verändert: der Walkman.

 

Essays als Steinbruch für zukünftige Bücher

Noch interessanter wurde das Buch durch die launischen Kommentare des Autors. Jeder Artikel endet mit einem Rückblick des Autors. Darin erzählt er, warum und wie die Texte entstanden sind und was er heute davon hält. Vieles sind Auftragsarbeiten, mit denen er heute nicht mehr glücklich ist. Manches davon benutzt er immer noch als Steinbruch und lässt daraus neue Bücher entstehen. Es ist vor allem diese innere Blattkritik, die offen legt, mit welchem Qualitätsanspruch William Gibson an seinen Texten feilt, die Misstrauen Sie dem unverwechselbaren Geschmack für mich so spannend machte. Durch sie wird der Blick über die Schulter des Autors in seine Werkstatt erst so richtig komplett.

William Gibson Zitat

Zitat für das Buchhändlerinnen-Poesie-Album

Angaben zum Buch:

Sachbuch Cover: Misstrauen Sie dem unverwechselbaren Geschmack Gedanken über die Zukunft als GegenwartWilliam Gibson

Aus dem Englischen von Hannes und Sara Riffel

Misstrauen Sie dem unverwechselbaren Geschmack
Gedanken über die Zukunft als Gegenwart

Tropen Verlag im Klett-Cotta Verlag

Rezensionen im Culturemag und bei Booknapping – von Sandra hatte ich auch den Buchtipp. Danke dafür!

 

 

 

3 Kommentare

  1. Ich bin begeistert, dass dir der Essay-Band auch so gut gefallen hat – schön, wenn Tipps gut ankommen 😀

    Wo ich den ersten Schnippsel im Bild oben lese, kann ich gleich bestätigen, dass es mir genau so geht, wie Gibson. Die Erfahrung mit (der richtigen) Musik auf den Ohren durch eine Stadt zu laufen oder die Landschaft in einem fahrenden Zug an sich vorbeifliegen zu sehen, ist unfassbar aufregend.

    Lieben Dank auch für den Link und ganz liebe Grüße,
    Sandra

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