Was für ein Buch! Antje Herden hat mit „Keine halben Sachen“ ein Jugendbuch über Drogen, über das erwachsen werden und über die Momente im Leben, in denen man falsch abbiegt, geschrieben. Die Geschichte wird ehrlich und authentisch erzählt und entwickelt schnell einen eigenen Sog. Die Sprache ist hart und präzise und lässt doch genug Raum für Empfindungen und Mitleid. Das Buch ist klug, aber niemals belehrend. Es nimmt die Jugendlichen ernst und bindet trotzdem die Perspektive der Erwachsenen mit ein.
Robin ist ein ungewöhnlicher Protagonist für ein Jugendbuch. Er ist mehr Mitläufer als Außenseiter, fühlt sich aber doch nirgendwo so richtig dazugehörig. Wie auch: Er kreist so sehr um sich selbst, dass er seine Weggefährten kaum wahrnimmt. Er kennt Jungs, mit denen er abhängen kann, doch eine Beziehung zu ihnen baut er nicht auf. Weil sich nur mit sich selbst beschäftigt, langweilt er sich schnell. Da kommen Leo und die Drogen gerade recht, versprechen sie doch Abwechslung und Nähe. Eine Abwärtsspirale beginnt, die mit einem gnadenlos beschriebenen LSD-Horrortrip noch lange nicht zu Ende ist.
Robins Mutter macht eigentlich alles richtig. Sie zeigt Liebe und schenkt ihrem Sohn Vertrauen. Sie lässt ihn seinen eigenen Weg in Richtung erwachsen sein gehen und bietet ihm genau deswegen zu wenig Struktur und Halt.
Erwachsen werden heißt in diesem Buch, mit Freiheit umgehen zu lernen. Zu erkennen, wann man sich treiben lassen kann und wann eine Kurskorrektur angesagt ist. Entscheidungen zu treffen, Folgen abzuschätzen und Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen.
Bis Robin das erkennt, hat er viele Weggefährten vor den Kopf gestoßen. Doch „Keine halben Sachen“ ist auch ein Jugendbuch über Menschen, die einen Unterschied machen. Über Freund:innen, die an deinem Krankenbett sitzen, wenn du zum ersten Mal begreifst, dass du nicht nur falsch abgebogen bist, sondern auch einen ganzen Sommer lang auf der falschen Richtung beharrt hast.
Robin beginnt, die Stelle zu suchen, an der er sich zum ersten Mal geirrt hat. Ich fürchte, tausende von Schülern werden an dem Schluss, den Antje Herden sich für „Keine halben Sachen“ ausgedacht hat, verzweifeln. Er ist genial – aber ohne die Hilfe von BoysAndBooks hätte ich ihn nicht verstanden!
Aber trotzdem sollte „Keine halben Sachen“ Schullektüre werden, weil es alles ernst nimmt: die Langeweile und das sich fehl am Platz fühlen, die Suche nach dem Sinn, die Drogen und den Rausch genauso wie das, was danach kommt – der Rest des Lebens.
Bibliographische Angaben:
Antje Herden
Keine halben Sachen
Jugendbuch, empfohlen ab 14 Jahren
Beltz Verlag
Ein Buch, das gut dazu passt: Kurt Cobain – sein Leben als Jugendbuch.