Ein Ruck soll durch die Buch-Bloggosphäre gehen, das Selbstbewusstsein soll erstarken. Im Brennpunkt der Diskussion steht die Frage: was sind unsere Rezensionen und Artikel wert?
Spitzer formuliert: warum ist es (derzeit) mehr wert, über einen Lippenstift zu bloggen als über ein Buch? Warum werden reichweitenstarke Beauty-Blogger bezahlt, Buch-Blogger aber nicht?
Nun, man merkt es meiner Einleitung an, dass ich skeptisch bin. Ich sehe die Buch-Bloglandschaft in ihrer bunten Vielfalt, wie sie heute ist, und ich sehe die Blogs aus anderen Branchen, die mit Sponsored Posts, Anzeigen und durch Auftritte der Blogger als Speaker Geld verdienen.
Der Abstand in der Professionalisierung ist gewaltig. Zwei Beispiele für den Stand der Professionalisierung der Buch-Blogs habe ich rausgesucht.
Ich lese und rezensiere, da bleibt mir keine Zeit für Technik?
Knapp die Hälfte meiner Besucher kommen über die Suche, also Google & Co, auf meinem Blog. Wenn ich möchte, dass meine Beiträge lange gelesen werden und auffindbar bleiben, muss ich also Zeit in Technik und SEO investieren. Das ist alles kein Hexenwerk, man kann das lernen. Aber es kostet Zeit, die von der heiligen Lesezeit abgeht.
Wie sieht es nun aus in der Buch-Bloggosphäre? Schaut einfach mal, wie die Rezensionen der Blogs in der Google-Suche angezeigt werden. Welcher Blogger kümmert sich um HTML-Title und Meta-Description? Wer schreibt seine Snippets so, dass man Lust bekommt darauf zu klicken?
Macht ja nix, News sind doch wichtiger als alte Artikel könnte man meinen. Nein, auf einem Buch-Blog ist es anders. Ein Blick in meinen Zahlen: ein neu erschienener Beitrag auf diesem Blog wird in der ersten Woche 20 bis 30x aufgerufen, wenn es gut läuft auch 50x. Mehr nicht!
Bloggen gleicht einem Mittelstreckenlauf. Artikel, die am Anfang schwach liefen, können Monate später zu Erfolgen werden. Von 20 Leser zum Start des Artikels auf über 1000 Leser ein Jahr später – das ist durchaus möglich, wenn man Zeit in SEO investiert. Doch wieviele Blogger kümmern sich darum bzw. wollen sich überhaupt darum kümmern?
Die Nische rockt, eine klare Ausrichtung hilft
Jetzt bediene ich hier sehr spezielle Nischen: Sachbücher, Ratgeber, Yoga und bewusstes Leben, Museen. Eine klare Ausrichtung sieht definitiv anders aus. Diese Vielfalt führt dazu, dass ich nur relativ wenig Stammleser habe. Um so wichtiger ist für mich eine gute Auffindbarkeit in der Suche.
Mein Kinderbuch-Blog hingegen besitzt eine klare Ausrichtung. Die Kinderbuch-Nische ist zudem deutlich größer. Das führt dazu, dass der Blog dreimal so erfolgreich ist.
Wenn also eine Rezension eine große Wirkung entfalten soll, muss sie auch Online am richtigen Ort erscheinen. Das kann ein Buch-Blog sein, muss aber nicht.
Doch was bedeutet das konkret in Aufrufzahlen oder in Lesern? Hier habe ich immer noch den Eindruck, dass die wenigsten Buch-Blogger ehrliche Zahlen angeben. Da werden schon gerne mal Impressionen und Besucher verwechselt.
Meine Top 3 sieht derzeit so aus:
- Den ersten Platz hat Blackbox Gardening und die Akelei einem sehr gut platzierten Backlink des Ulmer Verlags zu verdanken. Das macht dann 1309 Aufrufe seit Juni 2014.
- Den zweiten Platz verdankt dieser Beitrag der Tatsache, dass das Buch seit ewigen Zeiten auf der Spiegel-Bestsellerliste ist und ich nicht verstehe, warum. Die Kuh, die weinte kommt auf 857 Aufrufe seit September 2014.
- Platz 3 geht an die Nische innerhalb der Nische: Das Sonnengruß-Mantra interessiert nur Yogis und Yoginis. 669 Aufrufe seit Juli 2013
- Am unteren Ende bewegen sich zum Beispiel die Elfen von New York: 19 Aufrufe seit Dezember 2015
Zum Vergleich sei wieder mein Kinderbuch-Blog herangezogen: 3963 Aufrufe für Muffelfurz und die Olchis seit September 2013 machen diesen Blog-Beitrag zum Spitzenreiter.
Ich vermute, dass ein gut eingeführter Literatur-Blog, der zudem das große und verdiente Glück hat, Backlinks von der Zeit und anderen wichtigen Online-Publikationen zu erhalten, deutlich bessere Zahlen als mein Kinderbuch-Blog aufweisen kann.
Aber über wieviele Buch-Blogs reden wir hier, die eine solche Reichweite aufweisen können? Und wieviele der jetzigen Buch-Blogs könnten diese Reichweite überhaupt erreichen, wenn sie sich mehr um SEO und andere Aspekte der Professionalisierung kümmern würden?
Ich bin dann mal offline – Pech für Euer Buch und Eure Backlinks
Mein zweites Beispiel ist eher ein anekdotisches: Blog-Pausen. Es gibt da dieses Ding namens Leben, das einem ganz hinterhältig vom Bloggen abhalten kann. Kommt vor, aber wie geht man damit um?
Es gab in letzter Zeit Buch-Blogs, die waren dann einfach für unbestimmte Zeit offline. Das kann natürlich jeder Blogger halten, wie er will. Aber für die Verlage und Autoren bedeutet das: futsch, aus, weg ist die schöne Rezension und der wichtige Backlink auf das eigene Produkt.
Kein Blog ist für die Ewigkeit gebaut und manch eine Rezension ist schneller offline oder unsichtbar geworden als ein Verlag das Wort Ladenpreisaufhebung buchstabieren kann.
Ist ein kostenloses Rezensionsexemplar wirklich eine Bezahlung unter Wert?
Dazu hat sich Tobi von den Lesestunden in seinem Beitrag Was ich mir als Buchblogger von den Verlagen wünsche schon seine Gedanken gemacht.
Bei einem Produkt wie einem Buch, wo ja die wenigsten Autoren vom Schreiben leben können, ist es absurd zu erwarten, dass da vom Kuchen genug abfällt, um hier ein ordentliches Einkommen zu erzielen.
Auch seine weiteren Ausführungen erhalten eine unbedingte Leseempfehlung von mir!
Ich kann den Wunsch mit Bloggen über Bücher Geld zu verdienen durchaus verstehen, aber sehe das in einer anderen Liga als das, was ich oder der durchschnittliche Buchblogger macht. Wer das möchte, muss sich aus meiner Sicht mit der Frage beschäftigen, wie er um seinen Blog ein Netzwerk aufbaut, dass es ihm erlaubt wirklich spürbare Umsätze und Mehrwerte für seine Kunden zu erzeugen. Wer eine Rezension zu einem 15 Euro teuren Buch schreibt, die von 1000 Besuchern gelesen wird und dann von 20 Lesern gekauft wird (eine Conversion Rate von 2% ist im Online Bereich schon ziemlich gut), dann wird damit ein Umsatz von 300 Euro generiert. Das entspricht dem, was die Fashionbloggerin ungefähr mit zwei verkauften Handtaschen an Umsatz erzeugt.
Quelle: http://www.lesestunden.de/2016/03/was-ich-mir-als-buchblogger-von-verlagen-wuensche/
Doch eine Rezension auf einem Buch-Blog ist ja nicht alles, was ein Buch-Blogger liefern kann. Bei Schwerpunkt-Artikeln, Werkschauen und anderen tiefergehenden Texten kann ich mir sehr wohl den oben beschriebenen Mehrwert vorstellen.
Auf Verlagsseite kann ich mir gut vorstellen, dass Buch-Blog-Aktionen von vornherein im Marketing-Etat verankert werden – mit einer Bezahlung für die ausgewählten Blogs.
Aber bei einem bin ich mir sicher: wer mit seinem Buch-Blog Geld verdienen will, muss noch mehr Zeit investieren. Lesen und rezensieren ist lediglich die Basis-Arbeit.
Spannende und erfreuliche Entwicklungen, die durch die Buchblogger-Sessions auf der Leipziger Buchmesse ausgelöst wurden, sind das allemal!
Service-Links:
Liste der Diskussionsbeiträge, zusammengetragen im Büchernest
Blogger Sessions auf der #lbm16 zum Nachhören bei Voicerepublic
Danke für diesen endlich auch einmal ehrlichen Artikel. Ich denke, es hängt tatsächlich mit dem Produkt zusammen, warum Buchblogs weniger als Mode- oder Techblogs gelesen werden. Bücher spielen eine untergeordnete Priorität, auch wenn stetig von der Buchbranche das Kulturwertefähnchen hochgehalten wird. Man möge einfach mal ehrlich in seinem weiteren Bekanntenkreis nachforschen, wer wirklich wieviele Bücher liest, woher sie Informationen zu anstehenden Neuerwerbungen nehmen. Da ist einfach Ernüchterung angesagt.
Darüber hinaus sind Buchblogger, Verlage, Bibliotheken, Buchhandlungen ein Kreis, der sehr auf sich fokussiert ist. Buchblogger kommentieren gerne bei anderen Buchbloggern, aber kommentieren sie auch in Modeblogs? Kommentieren Kinderbuchblogger in Mütterblogs, die genau die Zielgruppe wären? (Auch das ist ein Teil von SEO).
Ja, und dann ist dieses Kulturwertefähnchen der Branche, das den Aufschwung verhindert. Warum? Schaue ich in die Verlagsvorschauen, sehe ich Empfehlungen wie Stiftung Lesen, bekannte Zeitschriften etc. Darauf bauen immer noch 90 % aller Verlage, auch wenn sie gleichzeitig irgendwie da was mit Bloggerrelations machen. Buchblogger bekommen zwar ihr Leseexemplar, dann gibt es noch solche Kurzaktionen ohne Nachhaltigkeit wie ein Bloggertreffen mit einem Autor. Das war’s dann. Verlinkung auf der Buchwebseite des Verlages? Nope. Hier wird mit zweierlei Maß gemessen, auch wenn es rühmliche Ausnahmen wie beispielsweise Bastei Lübbe gibt.
Und grundsätzlich finde ich es völlig in Ordnung, wenn auch Buchblogs Geld mit ihrer Arbeit verdienen. Was an Einkommen hereinfließt, ist weniger als Taschengeld. Wenn wir Taschengeldniveau erreichen, wären wir ein Stück weiter. Im besten Sinne für alle Beteiligten. Denn auch Verlage und Autoren haben von professionell agierenden Buchbloggern langfristig mehr als vom Gießkannenprinzip.
Liebe Wenke, Mama-Blogs sind ein gutes Stichwort. Mein wichtigster Backlink bei meinem Kinderbuch-Blog stammt von einem Mama-Blog – nicht von einem anderen Buch-Blog. (Überhaupt hätten noch so viele Details in meinen Beitrag gehört.) Ich fände es gut, wenn sich mehr Buch-Blogger nach der Decke strecken, doch gerade die Mama-Blogs haben die Messlatte sehr, sehr hoch gelegt. Da müssen die meisten Blogs – meine eingeschlossen – noch üben. Zu diesem Lernprozess könnte auch gehören, dass mono-thematische Blogs nie die Reichweite eines Mama-Blogs haben werden. Also auf, holt das pralle Leben in die Buch-Blogs und erzählt genauso souverän über Euer Leben wie über die geliebten Bücher. Ob das ein Weg sein könnte? Und wieviele Buch-Blogger würden ihn gehen wollen? Ich schätze zum Beispiel „Mama arbeitet“ sehr – aber wollte ich mich so öffentlich machen?
Auf jeden Fall wurden mit dieser Diskussion wichtige Fragen angestoßen.
Liebe Dagmar,
das Erweitern des Spektrums ist ein interessanter Gedanke. Allerdings habe ich ein Problem damit, mein Leben vor einer mir unbekannten Öffentlichkeit auszubreiten. Aber ich werde mal darüber nachdenken, inwieweit da etwas möglich wäre.
Verstehe ich. Mir ist selbst auch immer noch nicht klar, wie ich das für mich handhaben möchte. Ich balanciere vor mich hin, probiere, teste – und habe Spaß und Erkenntnisgewinn dabei.
Ich finde die Diskussion darüber interessant, frage mich allerdings, warum die erst jetzt kommt. Die Bücherblogszene ist riesig und natürlich verschwinden ab und an mal wieder ein paar Blogger, weil einfach die Zeit fehlt oder sich die Interessenlage verändert hat, aber ich finde, dass die Szene schon seit einigen Jahren so groß ist, dass es durchaus lohnenswert für die Verlage wäre, diese einzubinden, auch in das Werbebudget, wenn es um Markteinführungen von Büchern geht. Damit würden die Verlage übrigens auch dabei mithelfen, dass die Buchblogs eben nicht so schnell wieder verschwinden.
Natürlich können die Verlage nicht mit allen Buchblogs „Werbeverträge“ abschließen, was umgekehrt natürlich auch bedeutet, dass nicht alle Buchblogger von ihren Blog leben können, aber ich glaube auch nicht, dass das das Ziel aller Buchblogger ist.
Meinen Buchblog gibt es zum Beispiel schon seit 2004. Bis vor 2 Jahren konnte ich mir nicht vorstellen, in großen Umfang Rezensionsexemplare anzunehmen. Ich ging einfach davon aus, dass ich dadurch in meiner Meinung eingeengt werde. Vereinzelt gab es Anfragen von Verlagen, die ich dann auch angenommen habe, aber es hat doch lange gedauert, bis ich mich dazu entschlossen habe, übers Bloggerportal doch solche Bücher anzufordern. Was natürlich einen finanziellen Hintergrund hat, weil mir ansonsten für viele Bücher einfach das Geld fehlen würde.
Wirklich professionell führe ich den Blog bis heute nicht. Es gibt zum Beispiel immer mal mehrere Monate, in denen ich dort überhaupt nichts veröffentliche, einen Twitter-Account für die Seite gibt es immer noch nicht, die Facebook und Google+ Seite lasse ich ziemlich ungepflegt, obwohl genau dort das Potential wäre, für den Blog ein Netzwerk aufzubauen. Ich sehe es weiterhin als Hobby, ich sehe es an einem Ort, an dem ich regelmäßig schreiben kann, um meine Rechtschreibung zu verbessern, ich sehe es aber immer noch nicht als Ort, mit dem ich mein Einkommen bestreiten könnte.
Die Diskussion auf der Buchmesse dazu habe ich übrigens nicht mehr mitbekommen, weil ich die ja vorzeitig wegen Überforderung verlassen habe.
Lieber Sven, die Diskussion wird ja nicht zum ersten Mal gestartet – aber noch nie mit einer so breiten Öffentlichkeit. Gutes Timing, gute Plattform, geschickt eingefädelt. Stellung beziehen gehört zum Bloggen dazu – ich bin nun gespannt, wer sich wofür entscheidet. Wie immer gilt: beim Bloggen gibt es kein richtig oder falsch, nur ein authentisch oder kneifen. Und authentisch nicht-professionalisieren ist auch ein Weg!
Was mir halt meist auffällt, ist, dass die Buchblogs bei Anbietern wie wordpress.com oder blogspot liegen. Ich glaube, dass eine Professionalisierung nur dann gelingen kann, wenn die Buchblogger Geld in eine eigene Domain und ein wenig Webspace investieren, da sie dort einfach auch viel Flexibler sind. Damit könnten sie sich dann auch eine eigene Marke aufbauen und dann würden sie, um mal den Kommentar von Wenke aufzugreifen, auch auf mehr Verlagsseiten verlinkt werden, da bin ich mir ziemlich sicher.
Bei Anbietern, die einen kostenlosen Blog anbieten, kommt auch die Unsicherheit hinzu, dass dieser Service ja auch irgendwann einmal eingestellt werden könnte und eine Datensicherung ist dann meist schwierig.
Wahrscheinlich ist da wirklich noch ein weiter Weg zu gehen, aber wichtig ist tatsächlich, dass die Authentizität nicht aufgegeben wird, egal ob es ein Professionell betriebener Blog ist oder ein rein Privater.
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